Kinder mit dem Wald per Du – ein «Waldexperiment»

  14.08.2017 Burgdorf, Gesellschaft

Vorsichtig nimmt Malik den kleinen schwarzen Käfer auf seine Hand. Mit grossen Augen betrachtet der Junge das knopflochkleine Tierchen, das sich auf seiner Handfläche flink hin und her bewegt. Der Rücken des Käfers scheint glatt und fein zu sein und glänzt in der Sonne schon fast farbig. Lustig hebt der Käfer Malik seine Fühler entgegen. Noch bevor der Winzling dem Jungen unglücklich entwischen kann, setzt er das Tierchen wieder vorsichtig zurück auf den Waldboden. Die Freiheit erkannt, entschwindet der Käfer schnellstmöglich unter der dicken Laubschicht des Waldes. Obwohl Malik auf viele tolle Erlebnisse in der vergangenen Woche zurückblicken kann, wird es aber genau diese Begegnung mit dem kleinen schwarzen Käfer sein, die er seinen Eltern beim Abendessen immer und immer wieder beeindruckt schildern wird.
Der Verein «Waldexperiment» hat ein Projekt lanciert, das Kindern wie Malik solche Erlebnisse mit dem und rund um den Wald ermöglichen soll.

Wenn für die Natur zu wenig Zeit bleibt
In unserer modernen Gesellschaft können Kinder und Jugendliche auf ein äusserst vielfältiges Freizeitangebot zurückgreifen. Ob Fussball, Ballett oder Klavierspielen, die Möglichkeiten sind heutzutage immens. Auch wenn solche Aktivitäten für die Entwicklung des Kindes durchaus sehr sinnvoll sind, kommt dabei aber nicht selten der Kontakt mit der Natur zu kurz. Tatsache ist, dass immer weniger Kinder ihre Freizeit im Freien verbringen. Stattdessen ist der Alltag oftmals von morgens bis abends mit Schulstunden und diversen Freizeitaktivitäten durchstrukturiert. Durch dieses System gehen eine Menge Eigenkreativität sowie wertvolle kindliche Fantasie verloren. Das Projekt «Waldexperiment» setzt sich dafür ein, dass Kinder die Freude am Spielen im Wald wiederentdecken. Ziel ist es, nicht nur ein Umfeld zu schaffen, in welchem die Kinder die Vielfalt und den Lebensraum des Waldes im Verlauf der vier Jahreszeiten erleben und entdecken können, sondern vor allem auch, dass den Kindern wieder mehr Freiraum für die Entwicklung ihrer eigenen Ideen zugesprochen wird.


Das Waldexperiment im Burgdorfer «Schönenbüeli»
Während zwölf Samstagnachmittagen im Jahr haben Kinder zwischen sieben und zehn Jahren die Möglichkeit, den Wald «Schönenbüeli» in Burgdorf spielerisch und selbstbestimmend erleben zu können. Begleitet von einem ausgebildeten Leiterteam können die Teilnehmenden auf dem drei Hektaren grossen Waldabschnitt die verschiedensten Aktivitäten unternehmen. Den Fantasien der Kinder sollen dabei keine Grenzen gesetzt werden. Ob mit Ästen Brücken bauen, in aufgetürmte Laubhaufen springen, in Eigenregie ein Zvieri auf dem Feuer bräteln oder einfach einmal nur ruhig auf dem Waldboden liegen und dem Rascheln der Blätter zuhören, jede Idee und jede Art des Spielens und Seins ist beim «Waldexperiment» willkommen. Einzige Voraussetzung ist, dass sich die Tätigkeiten der Kinder ausschliesslich auf den Wald und dessen natureigene Mittel beschränken. Das heisst, für einmal sollen Scooter, Basketball und Handy zu Hause gelassen werden.

Kreativität und Partizipation im Wald
Die Verantwortlichen von «Waldexperiment» sind von der positiven Wirkung ihres Projektes überzeugt: «Die Interaktion mit der Natur und insbesondere mit dem Wald ist in vielerlei Hinsicht für die Entwicklung der Kinder und all ihrer Sinne von grosser Bedeutung», ist sich Jarno Schweizer sicher. Schweizer ist Teil des zweiköpfigen Leiterteams von «Wald­experiment. «Im Wald kann man hören, fühlen, sehen, riechen und sogar schmecken. Für die gesunde Entwicklung des Kindes – ob physisch, kognitiv, psychisch oder sozial-gesellschaftlich – sind solche Eindrücke von immenser Wichtigkeit. Der Wald birgt so viele spannende Dinge, mit denen man sich beschäftigen oder sich von ihnen inspirieren lassen kann. Und wer inspiriert ist, der wird kreativ. Die Kreativität der Kinder nachhaltig zu fördern, das ist ein Hauptanliegen von uns.» Damit die Kinder von sich aus aktiv kreativ werden, hat für die Organisatoren von «Waldexperiment» höchste Priorität, den Mädchen und Jungen genügend Freiraum zu gewähren. «Es ist wichtig, dass Kinder ihre eigenen Ideen frei und unvoreingenommen entwickeln können. Für unser Projekt bedeutet das, dass die Mädchen und Knaben selber bestimmen können, was sie im Wald unternehmen möchten und wie sie dies umsetzen», so Doris Eggli, ebenfalls Leitperson von «Waldexperiment». Diese Partizipation der Kinder ist ein wichtiger Teil des «Waldexperiments» und leitender Grundgedanke des Projektes.

Weg zum Unbekannten – ein Experiment für alle
«Bei unserem Projekt handelt es sich – wie der Name bereits verrät – um ein echtes Experiment», erklärt Doris Eggli. «Einerseits für die Kinder, weil sie den Wald selbstständig erforschen, nutzen und somit mit und in ihm auch experimentieren können, aber auch für uns Leitende, weil wir dadurch im Vornherein nicht wissen, in welche Richtung die einzelnen Nachmittage gehen werden.» Auch wenn die Kinder durch dieses Konzept viel Freiraum erhalten, erfahren die Mädchen und Knaben gleichzeitig von einem gut ausgebildeten Forscherteam eine professionelle Betreuung. «Die Leitenden übernehmen definitiv eine Vorbildfunktion. Das ist klar», so Eggli. «Dennoch bleiben die Kinder die Hauptakteure dieser Nachmittage. Unsere Aufgabe ist es zu beobachten, falls nötig Hilfestellung zu geben und vor allem auf das Wohlbefinden der Kinder zu achten.»
Der erste Waldnachmittag im Burgdorfer «Schönenbüeli» findet am Samstag, 21. Oktober 2017, statt. Das Projekt wird unterstützt durch die Burgergemeinde, als Waldeigentümerin, sowie die Stadt Burgdorf.
Die Verantwortlichen von «Wald­experiment» freuen sich auf zahlreiche Anmeldungen und sind schon jetzt gespannt, wohin sie das gemeinsame Experiment führen wird. Sicher ist, die Kinder dürfen sich auf jede Menge Abenteuer, tolle Erlebnisse in der Natur und ein schönes Miteinander freuen.
Kathrin Röthlisberger

Anmeldungen und Auskünfte bei Marlén Gubsch unter 031 381 89 45, 076 303 63 74 oder marlen.gubsch@panbern.ch.
www.waldexperiment.ch.


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