Rüegsauer Schulraumplanungs-Showdown

  11.06.2018 Bildung, Rüegsauschachen, Wirtschaft, Foto, Jugend, Bildung / Schule

Ungefähr siebzig Personen fanden sich am Mittwoch, 30. Mai 2018, in der Aula der Schulanlagen Rüegsauschachen ein, um an der sechsten Orientierungsversammlung endlich zu erfahren, was nun die seit mehr als fünf Jahren geplante Schulraumerweiterung definitiv kosten solle. Grosse Änderungen an der Gestaltung waren gemäss den Erläuterungen von Gemeinde-Vizepräsident Andreas Hängärtner (SVP) und Architekt Hanspeter Bürgi gegenüber der Information vom vergangenen März nur in Details erkennbar. So soll neu auch der Aussenbereich aufgewertet werden.

Ein ansprechendes, aber auch kostspieliges Vorhaben
Wurde vor gut fünf Jahren in der ersten Planungsphase von Kosten in der Grössenordnung von rund acht Millionen Franken ausgegangen, hat die weitere Planung ergeben, dass mit rund 17 Millionen Franken gerechnet werden müsse. Nach der detaillierten Berechnung wird nun an der Urnenabstimmung vom 23. September 2018 über einen Realisierungskredit von 17 935 000 Franken abgestimmt. Davon entfallen auf die Sanierung des alten und erhaltenswerten Sekundarschulhauses rund 2,7 Millionen und auf den Neubau mit Turnhalle 5,9 Millionen Franken. Der ebenfalls dringend notwendige Bau des Kindergartens wurde, laut Andreas Hängärtner, aus dem Projekt gestrichen und soll später mit einem separaten Kreditantrag der Gemeindeversammlung vorgelegt werden. Mit diesem Geld sollen – grob zusammengefasst – folgende neuen Räume erstellt werden: zwölf Klassenzimmer, vier Gruppenräume, zwei Räume abteilungsweiser Unterricht, fünf Spezialräume, ein Lehrerinnen-/Lehrerbereich für alle Schulstufen, eine Turnhalle mit Nebenräumen, Garderoben und Duschanlagen. Im Kredit inbegriffen sind die Schulprovisorien in Containern während der anderthalbjährigen Bauzeit.

Finanzierung nur durch Steuer­erhöhung möglich
Weil der Finanzverantwortliche des Gemeinderats, Markus Mosimann (FDP), krankheitshalber nicht an der Orientierungsversammlung teilnehmen konnte, fiel Gemeindepräsident Fritz Rüfenacht (SVP) die «angenehme» Aufgabe zu, den Versammlungsteilnehmenden zu erklären, wie dieses Grossprojekt überhaupt zu finanzieren sei. Rüegsau hat nämlich noch andere Aufgaben zu finanzieren wie zum Beispiel den auf der langen Bank liegenden Hochwasserschutz oder immer wieder zurückgestellte Strassensanierungen. Die Aussage des Gemeindepräsidenten war deutlich: «Eine Finanzierung ohne Steuererhöhungen ist nicht möglich und es wird im Umfang des Baukredites eine deutliche Zunahme der Verschuldung geben.» Aufgrund der aktuellen Zahlen rechnet der Gemeinderat, dass eine erste Erhöhung des heute günstigen und wirtschafts- und gewerbefreundlichen Rüegsauer Steuersatzes von 1,59 auf 1,69 im Jahr 2019 erfolgen muss und der nächste Schritt von 1,69 auf 1,79 im Jahr 2021. Weitere Erhöhungen seien nicht ausgeschlossen, will er noch festgehalten haben.

Hohe Kosten geben Anlass zu Kritik
Doch wie steht es mit den Schulkos­tenbeiträgen der anderen Gemeinden (Hasle, Lützelflüh, Affoltern, Heimiswil), welche die Rüegsauer Schulanlagen mitbenutzen? Laut Gemeindepräsident Rüfenacht schlagen diese rein für die Infrastruktur aktuell mit rund 400 000 bis 600 000 Franken pro Jahr zu Buche. Eine Zahl, die der ehemalige Gemeinderats- und Gemeindepräsident Peter Dubach so nicht akzeptieren konnte: «Für das Jahr 2016/17 stammen in der Sekundarschule von 176 Schülerinnen und Schülern deren 77 aus der Gemeinde Rüegsau. Der Rest von 99 Schülerinnen/Schüler, also 56 Prozent aus anderen Gemeinden. Für einen Sekundarschüler beträgt das Schulgeld rund 10 000 Franken. Davon entfallen 6000 auf die Lehrergehälter, rund 1000 Franken auf den Schulbetrieb wie Bücher etc., sodass am Schluss noch 3000 Franken für die Schulanlagen gerechnet werden können. Die Hälfte entfällt dabei auf den laufenden Unterhalt. Letztlich ist bei 99 auswärtigen Schülern von gesamthaft rund 150 000 Franken pro Jahr auszugehen. Ein Almosen bei Investitionskosten in dieser Grössenordnung.» Wegen Abwesenheit des für die Finanzen zuständigen Gemeinderates Mosimann erfolgte zu diesem Statement leider keine Stellungnahme vonseiten der anwesenden Gemeindevertreter.
Angesichts der guten Rechnungsabschlüsse in den letzten Jahren sah Gemeindepräsident Rüfenacht trotz der düsteren Wolken am Rüegsauer Finanzhimmel doch noch einige Sonnenstrahlen: «Dank dem guten Rechnungsabschluss 2017 könnten wir das Eigenkapital nochmals ein wenig äufnen und das gibt mir doch etwas Zuversicht, dass es nicht so schlecht herauskommt.» Sein Vorgänger Peter Dubach, der vor 20 Jahren zusammen mit dem damaligen Gemeinderat Rüegsau aus einer finanziellen Schief­lage führen musste, sah es dagegen anders: «Die vorgestellte Erhöhung der Steueranlage um zwei Zehntel wird kaum ausreichen und wenn dieses Projekt zur Ausführung gelangt, wird die Pro-Kopf-Verschuldung in der Gemeinde Rüegsau auf über 5000 Franken steigen, also die höchste im Kanton Bern. Eine Auszeichnung, auf die wir Rüegsauer eigentlich gerne verzichten möchten.» Im Übrigen erklärte Dubach, dass er eine Sanierung und Erweiterung der Schulanlage als notwendig erachte, dass es aber bessere und günstigere Lösungen geben würde. Ihm fehlte von allem Anfang an ein klares Konzept und realistische, finanziell verkraftbare Zielvorgaben. Nachdem die Rüegsauer Bürgerinnen und Bürger zur Projektgestaltung eigentlich nie etwas beitragen konnten – die bisherigen Orientierungen waren eher Kenntnisnahmen – haben sie am Wochenende vom 23. September 2018 Gelegenheit, ihre Meinung an der Urnenabstimmung kundzutun. Man darf darüber gespannt sein, ob es vorher in den Befürworter- oder Gegnerkreisen noch Einzelaktionen Pro oder Kontra geben wird.


Ernst Marti

 


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