Überraschende Funde aus der Bronzezeit
20.08.2018 Aktuell, Bildung, Region, Burgdorf, Kultur, Jugend, Gesellschaft, Bildung / SchuleAm 16. August 2018 ist es auch nach 18.00 Uhr noch brütend heiss. Trotzdem treffen laufend neue Gruppen Interessierter beim Haupteingang des Schlosses Burgdorf ein. Sie alle wollen die Gelegenheit nutzen, um sich am «Tag des offenen Bodens» durch den Archäologischen Dienst des Kantons Bern respektive durch dessen Archäologinnen und Archäologen über die neusten Erkenntnisse zur Gründungszeit der Burg zu informieren und überraschende Funde aus der Bronzezeit zu begutachten. – Während vier Stunden (ab 16.00 Uhr) wurde der Bevölkerung diese einmalige Chance geboten. Unter kundiger Führung gings von Posten zu Posten.
3000 Jahre alte Höhensiedlung
Seit Juni dieses Jahres sind die Umbauarbeiten am «Schloss für alle» in Burgdorf im Gange. Bereits bei den archäologischen Untersuchungen im Jahr 1973 im Burggraben hatten einige Funde auf eine bronzezeitliche Besiedlung hingewiesen. Die laufenden Untersuchungen bestätigen diese Erkenntnisse nun. Durch die mittelalterliche Burg gut geschützt, konnten sich herausragende Reste bronzezeitlicher Höhensiedlungen erhalten, die für den Kanton Bern und weit darüber hinaus einmalig sind. Die ältesten Spuren auf dem Burghügel reichen in die frühe Bronzezeit vor rund 3700 Jahren zurück. In der späten Bronzezeit (um 1050 bis 850 v. Chr.) befand sich auf dem Hügelsporn eine umfangreiche Höhensiedlung. Während Siedlungen dieser Art von Seeufern bekannt und untersucht sind, wurden nun erstmals Zeugen aus dem Emmental gefunden.
Ausschnitt aus der Baugeschichte
Armand Baeriswyl, Leiter des Ressorts Mittelalterarchäologie und Bauforschung, hiess die Besucher an Posten 1 willkommen. Sehr viel von der mittelalterlichen Burg, welche um 1200 gebaut wurde, sei noch vorhanden. Dabei verwies er unter anderem auf den grossen Turm (Bergfried), der bereits von Weitem klar machte: «Da hockt dr Chef», so Baeriswyl. Die Bedeutung von mittelalterlichen Burgen werde heute ein bisschen anders gesehen als noch vor Jahren, als sie als Festungen bezeichnet wurden. Heute würden sie als soziale Bauwerke verstanden und reflektierten die Haltung eines Adligen. Böse Zungen behaupteten sogar, dass sie funktionierende Attrappen waren. Eine Burg habe mehr den Schein eines militärischen Bauwerks erweckt, als sie es tatsächlich war.
Keine 08/15-Burg
Wegen der grossflächigen Bauweise deutet einiges darauf hin, dass der Zähringer in Burgdorf etwas Grosses plante. Dazu passen die Gründung der Stadt und der Bau einer ersten Kirche. Leider verstarb er 1218. Seine Nachfolger, die Kyburger, seien Grafen auf regionalem Niveau gewesen und «so dumm, sich 1384 mit Bern anzulegen, was sie am Schluss ruinierte. Sie mussten Burgdorf verkaufen, Bern zog ein und richtete eine Landvogtei ein», so der Referent. Was zu einer bernischen Landvogtei gehörte, war ein Kornhaus. 1611 wurde ein erstes errichtet, das 30 Jahre später abstürzte, weil der Fels abbrach. 1749 wurde ein neues aufgestellt, das wegen des noch neueren in der Unterstadt aus dem Jahr 1770 anderen Verwendungszwecken zugeführt wurde (Büros, Gefängnis). «Weil jetzt wieder neu gebaut wird, muss in den Untergrund eingegriffen werden. Archäologie bedeutet ‹entsorgen›. Sie haben heute die letzte Gelegenheit, das zu sehen», klärte Baeriswyl auf.
Von der Toranlage zur Keramikscherbe
«Hier stehen wir im Bereich der kyburgischen Hauptbauphase um 1260/1280. Wir sehen die Toranlage», liess Marco Amstutz bei Posten 2 wissen. Die älteste Toranlage der Zähringer beim Haupteingang hatten die Kyburger 1280 versetzt, «aus welchen Gründen auch immer.» Bis mindestens 1380 war sie am neuen Standort. Als Bern die Herrschaft über Burgdorf übernahm, wurde sie wieder zurückversetzt. – Bei Posten 3 konnte ein Teil der Wasserversorgung aus der Zähringerzeit begutachtet werden: eine grosse Filterzisterne respektive Überreste davon. Gruben aus der Spätbronzezeit folgten, gefüllt mit unzähligen Keramikscherben. «Wegen der verbrannten Keramik dachten wir anfänglich, es handle sich um einen Ofen», so diese Referentin. Dass es ein grosses Feuer gewesen sein musste, bestätigte Marianne Rammstein. Sie zeigte den Besuchern massiv verbrannte Keramik, die durch Temperaturen von um die 1200 Grad entstand. Gefunden wurden auch drei Mühlen – Nachweise, dass auf dem Hügel eine Siedlung war. Dass Handwerk betrieben wurde, bezeugten die Spinnwirtel und Tonklumpen als «Gewichtssteine». – «Wir haben nie erwartet, dass es hier Funde aus der Frühgeschichte zu finden gibt. Mein Team ist jetzt einen Monat hier und wird noch einen weiteren bleiben», so eine der «Fachfrauen für Frühgeschichte».
Barbara Schwarzwald