Keine weiteren 25 Millionen Franken Schulden

| Mo, 24. Sep. 2018

BURGDORF: Nach engagierter Debatte setzt sich Mitte/Rechts gegen das Ansinnen von Links/Grün durch, günstigen Wohnraum für sozial schwache Familien bereitzustellen.

Nachdem die Geschäftsprüfungskommission (GPK) dem Stadtrat einen Antrag auf Rückweisung des Geschäftes – 25 Millionen Franken für den Kauf von sechs Liegenschaften mit preisgünstigen Wohnungen für sozial Schwache – an den Gemeinderat gestellt hat, könnte Punkt 5 der Trak­tandenliste diskussionslos versenkt werden. Es kommt anders.

Verbindliche Offerte nicht möglich
Als GPK-Sprecherin erläutert Karin Fankhauser die Ausgangslage: Die Personalvorsorgestiftung Region Emmental (PRE) verkauft sechs Mehrfamilienhäuser zum für sie bestmöglichen Preis, wofür unter anderem die Stadt Burgdorf bis zum 31. Oktober 2018 ein verbindliches Angebot einreichen kann. «Das ist aber nicht möglich, weil die Referendumsfrist von 60 Tagen für dieses Geschäft über 25 Millionen Franken eingehalten werden muss. Sollte eine Volksabstimmung aufgrund der eingereichten Unterschriften erforderlich sein, könnte diese erst im Frühjahr 2019 durchgeführt werden. Folglich kann Burgdorf gar keine verbindliche Offerte einreichen.» Karin Fankhauser votiert für eine Debatte, um die Meinung im Rat auszuloten, und eine anschliessende Ablehnung der Vorlage.

Meinungen ausloten
Laut Stadtpräsident Stefan Berger vertritt der Gemeinderat eine andere Auffassung als die GPK: «Eine städtische Offerte unter dem Vorbehalt eines fakultativen Referendums ist durchaus möglich. Die PRE kann ihrerseits die Rechtsverbindlichkeit unseres Angebotes prüfen. Die Möglichkeit beziehungsweise Ankündigung eines Referendums darf dieses Geschäft nicht verhindern.» Auch SP-Fraktionschef Peter von Arb spricht sich für Eintreten aus: «Eine Diskussion im Stadtrat kann doch nicht schaden, auch wenn die terminliche Abfolge bei diesem Geschäft nicht ideal ist.»
Ganz anderer Meinung ist Marcel Meier (SVP), der «vorbehaltlos den Vorschlag der GPK unterstützt. Eine verbindliche Offerte ist nicht mehr möglich und ein Referendum bei dieser extremen Summe so gut wie sicher.» Er bezeichnet die Strategie der Stadt als «ungeschickt, was diese gar nicht gut aussehen lässt. Die PRE müsste ihre eigenen Offertregeln umstossen. Wie wollen wir vor der Bevölkerung eine Neuverschuldung in Höhe von 25 Millionen Franken vertreten? Geld, das wir gar nicht haben!»

Legislaturziel bezahlbare Wohnungen
Franziska Cottier (Grüne) bezeichnet «das Geschäft als viel zu wichtig, als dass man nicht darauf eintreten soll. Eine nachhaltige Raumentwicklung und bezahlbare Wohnungen stellen ein Legislaturziel von Burgdorf dar.» Auch sie plädiert für Eintreten. Dem schliesst sich Paul Krähenbühl (EDU) an, der empfiehlt, «Wohnraum für Leute mit kleinem Portemonnaie zu kaufen». Mit 20 Ja zu 18 Nein votiert der Stadtrat für Eintreten.
Gemeinderätin Beatrice Kuster (Ressort Finanzen) bestätigt, dass die PRE ihre Liegenschaften zum besten Preis liquidieren und die Stadt mitbieten wolle. «Die Liegenschaften sind in sehr gutem Zustand. Hier bietet sich die Möglichkeit von städtebaulicher Verdichtung. Zugleich können wir im sozialen Wohnungsbau aktiv werden. Die Nettoverschuldung würde um 7,2 Millionen Franken zunehmen.»

120 Millionen Franken Schulden
Laut Marcel Meier lehnt die SVP das Geschäft einstimmig ab: «Burgdorf schleppt einen Schuldenberg von über 120 Millionen Franken mit sich. Jetzt soll es noch mehr werden. Das ist verantwortungslos.» Er warnt, dass die heutigen rekordtiefen Hypothekarzinsen in absehbarer Zeit sicher steigen werden: «Was geschieht dann?» Daneben sei der «ausgezeichnete Zustand der betreffenden Liegenschaften umstritten». Er warnt eindringlich vor «städtischen Eingriffen in den Liegenschaftsmarkt».
BDP-Fraktionschef Yves Greisler meldet Bedenken an bezüglich «des Eingabetermins für die Offerte, des Interessenkonfliktes zwischen PRE und Stadt sowie des Risikos bei einem Liegenschaftskauf, wenn bei dem mit Steuergeldern gekauften günstigen Wohnraum die Zinsen steigen und das massive Risiko nicht aufgefangen werden kann».
Urs Geiser (SP) ist überzeugt, dass bei einem Referendum die Kaufwilligen gewinnen würden. Es gelte, bestehenden günstigen Wohnraum zu schützen. Franziska Cottier weist auf den Bauboom bei teuren Wohnungen hin und mahnt: «Diese zum Verkauf stehenden Häuser dürfen wir nicht den Investoren überlassen.» Es handelt sich um Mehrfamilienhäuser an der Felseggstrasse 19 – 21, am Neuhofweg 34 – 36, an der Gysnaustrasse 15 und im Gyrischachen 53, 55 und 59. Die 86 Wohnungen sind aufgeteilt in 1½- bis 5½-Zimmer-Wohnungen. Pierre Manz (SVP) warnt davor, bei einem Kauf den jetzigen Mietern zu kündigen und dann die Wohnungen sozial Schwachen zuzuweisen.

Die Stadt müsste nachziehen
Der Schlagabtausch geht munter weiter. Beatrice Kuster räumt ein, dass bei steigenden Hypothekarzinsen auch Burgdorf die Mieten «moderat erhöhen wird. Im besten Fall ist von sechs zu kaufenden Liegenschaften mit 86 Wohnungen die Rede.» Sie spricht bei dem beabsichtigten Kauf von einem «langfristigen Projekt, ausgelegt auf 10 bis 20 Jahre». GLP-Sprecher Philipp Schärf bejaht grundsätzlich «ein städtebauliches Wirken der Stadt, wenn der Markt bezüglich günstigem Wohnraum versagt. Da Burgdorf nicht auf Rosen gebettet ist, lehnt die GLP den Häuserkauf ab.»
Stadtpräsident Berger bestätigt, dass er zwar dem PRE-Stiftungsrat – bei dem auch das städtische Personal versichert ist – angehöre, er aber keinen Interessenkonflikt bei einer städtischen Kaufofferte sehe. Mögliche Investoren würden nicht konkurrenziert. Zudem sei ungewiss, ob 25 Millionen Franken überhaupt ein akzeptables Angebot darstellen werden. Er kommt auf die Bodenpolitik der Burger zu sprechen, die manches anders machen als die Stadt und dies ausgesprochen erfolgreich.
Jürg Kämpf (FDP) erinnert daran, dass 88 Prozent der Berner Gemeinden ein Nettovermögen ausweisen. Bei den 12 Prozent mit Schulden rangiert Burgdorf auf dem sechstletzten Platz! Mit 20 Nein zu 17 Ja bei einer Enthaltung verwehrt der Stadtrat der Exekutive die Einreichung einer Kaufofferte.

Gerti Binz

 

Weitere Beschlüsse des Stadtrates
Der Stadtrat stimmt einstimmig dem Verkauf des ehemaligen Maeder-Landes im Fischermätteli im Halte von 4262 m² zu. Der Preis wird brutto auf Fr. 890 000.– festgelegt.
Die FDP fordert vom Gemeinderat eine ganzheitliche und wirkungsvolle Schuldenbremse, die gleichzeitig einfach, transparent und konjunkturverträglich sein muss. Auch hier kommt es zu einer engagierten Diskussion zwischen links und rechts, wobei sich die Mitte diesmal dem Lager Links/Grün zuneigt. Mit 21 Nein zu 16 Ja bei einer Enthaltung wird der Antrag auf eine Schuldenbremse abgelehnt.
Nachdem ein gleichlautender Antrag betreffend Frühförderung der Schulkinder 2016 mit 17 Ja zu 18 Nein noch abgelehnt worden ist, genehmigt der Stadtrat jetzt ein solches Projekt mit 22 Ja zu 16 Nein.
Die Grünen bringen ihre Motion «Unvereinbarkeit Exekutivamt mit Anstellung bei der Stadt» mit 24 Ja zu 13 Nein bei einer Enthaltung durch, nachdem der Gemeinderat den Passus «die Lehrerschaft ist ausgenommen» noch überprüfen wird. gb

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