Das Für und Wider der Lehrabschlussprüfung

  07.05.2020 Aktuell, Wirtschaft, Foto, Burgdorf, Jugend, Bildung / Schule

Für viele Jugendliche findet im Sommer jeweils ein ganz wichtiger Schritt in ihrem Berufsleben statt: Mit der Lehrabschlussprüfung (LAP) kommt die mehrjährige Ausbildung zu einem Ende und der Lernende wird in die Berufswelt entlassen. Doch den 75 000 Jugendlichen, die dieses Jahr ihre Ausbildung beenden, machte das Coronavirus nun fast einen Strich durch die Rechnung...
Auch wenn im jetzigen Rahmen keine schulischen Prüfungen durchgeführt werden können, haben Mitte April Bund, Kantone und Organisationen aus der Arbeitswelt entschieden, dass die Lernenden trotz den Auswirkungen des Coronavirus ein anerkanntes eidgenössisches Fähigkeitszeugnis beziehungsweise ein Berufsattest erhalten sollen. Für den Polygrafen Lars Bettschen der Haller + Jenzer AG in Burgdorf fallen somit sämtliche noch fälligen theoretischen und praktischen Prüfungen weg. Im Gespräch mit der «D’REGION» erklärt er, warum er darüber auch nicht ganz unglücklich ist: «Angst vor der Prüfung hatte ich zwar keine, aber es ist trotzdem eine gewisse Erleichterung. Auch das Lernen für die Prüfung wäre durch das Coronavirus sicher anders gewesen.» Er verrät aber auch, dass sich nicht alle in seiner Klasse über die Ankündigung gefreut hatten. Besonders jene, die sich für die LAP besonders anstrengen wollten, seien enttäuscht. Statt schulischer Prüfungen zählen nun die Erfahrungsnoten und bei der bereits abgelieferten Vertiefungsarbeit fällt die Präsentation ebenfalls ganz weg. «Ich glaube, Prüfungen können den Wissensstand manchmal auch etwas verfälscht darstellen, da das Resultat auch von anderen Faktoren abhängt, die nichts mit der Schule zu tun haben», findet Lars Bettschen. «Was man in vier Jahren geleistet hat, gibt ein viel präziseres Bild von den eigenen Fähigkeiten.» Befürchtungen, dass sein Abschlussjahrgang auf dem Arbeitsmarkt zukünftig benachteiligt wird, hat er keine: «Das eigene Portfolio ist da viel wichtiger. Bei den ersten Arbeitsstellen nach der Lehre wird das Zeugnis sicher noch angeschaut, aber danach sind die beruflichen Leistungen viel aussagekräftiger.» Das sieht auch René Rüfenacht, Geschäftsleiter Produktion der Haller + Jenzer AG, so: «Das Arbeitszeugnis wird nun sicher wichtiger und gewisse Tätigkeiten können darin genauer beschrieben werden. Somit kann man trotzdem darauf zählen, dass die Ausgelernten ihre Arbeit beherrschen. Ich glaube nicht, dass die fehlende Lehrabschlussprüfung da einen Nachteil bringt.» Trotzdem findet es der ehemalige Prüfungsexperte schade, dass sich die Lehrlinge dieses Jahr nicht über den erfolgreichen Abschluss der LAP freuen können. «Es war immer auch eine Bestätigung für die Lernenden, dass sie die Arbeit, die sie vier Jahre geleistet haben, erfolgreich abschliessen können. Die LAP als feierlicher Abschluss fehlt nun», so René Rüfenacht. Auch dass die Firmen ihre Lehrlinge in diesem Jahr selbst bewerten, sieht er ambivalent. Tendenziell würden Firmen ihre eigenen Lehrlinge sicher positiver bewerten, denkt René Rüfenacht, doch würden die Lernenden ja schliesslich auch vier Jahre seriös ausgebildet. Falls Mängel an ihrem Fachwissen auffallen sollten, hätte man ja bereits früher interveniert. «Wir tragen schliesslich auch eine grosse Verantwortung gegenüber dem Berufsbild», weiss der Geschäftsleiter. «Es ist schliesslich auch in unserem Interesse, dass wir die Lehrlinge mit gutem Gewissen in die Arbeitswelt entlassen können.»

Text und Bild: David Kocher


Image Title

1/10


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote