Lehrpersonen meistern den Lockdown

| Mo, 25. Mai. 2020
Lehrerin Esther Canino

FRAUBRUNNEN: Eine Ober- und eine Unterstufenlehrerin erzählten: Nach dem Lockdown stellten sie kurzfristig ein Programm für Fernunterricht zusammen. Seit dem 11. Mai sind sie zurück im Schulzimmer: eine bekannte und doch ganz neue Situation. hkb

Nirgends fand sich ein Pandemieplan oder eine Anleitung für Fernschulungen, als an einem Freitag Mitte März 2020 die Schulschliessungen beschlossen worden waren. Jede Schulgemeinde musste eine Lösung finden, die an ihrem Ort umsetzbar war, auch die Primar- und Oberstufe von Fraubrunnen.
Die Unterstufenlehrerin Esther Canino
war überrascht vom Entscheid des Bundesrates, obwohl «Corona» in den Medien zunehmend Platz einnahm und sich die Lage zuzuspitzen begann. Rebekka Mori hingegen las kaum Zeitung während den Tagen vor dem Lockdown, weil sie mit ihrer Oberstufenklasse in der Sportwoche weilte. Erst auf dem Heimweg vom Klassenlager vernahm sie die Botschaft. Das ganze Lehrerkollegium musste kurzfristig nach einer Möglichkeit suchen, den Kindern und Jugendlichen eine sinnvolle Alternative zu bieten.
Am Montag nach dem Lockdown startete die Lehrerschaft gemeinsam mit der Planung, die ab Dienstag ausgearbeitet und am Mittwoch den Kindern weitervermittelt wurde. Die Unter- und Mittelstufenkinder bekamen Mäppchen mit Aufgaben für alle Fächer, auch NMG (Natur-Mensch-Gesellschaft), Musik und Sport. Die Siebt- und Achtklässler nutzten schon vor dem Lockdown ein iPad der Schule und erhielten ihre Aufträge per E-Mail. Eines der Ziele war, mit der Fernschulung nicht zusätzlichen Stress in den Familien auszulösen. Darum beschränkten sich viele Lehrpersonen in der Zeit vor den Frühlingsferien auf Aufgabenrepetition. Später erhielten die Schulen von der Erziehungsdirektion einen Pandemieplan, der stets der aktuellen Situation angepasst wurde.

E-Wolke, Anton-App, Antolin oder Google Classroom?
Um die Zustellung der Aufgaben einfacher zu gestalten, nahmen sich die Lehrpersonen Zeit, sich mit verschiedenen elektronischen Lernprogrammen auseinanderzusetzen. Nicht jedes Angebot eignet sich für jede Stufe. Darum entschied sich Fraubrunnen für E-Wolke, App Anton und Antolin für die jüngeren Schüler/innen und Google Classroom in der Oberstufe. Einige Kinder, aber auch Lehrpersonen brauchten dabei Unterstützung, die meist jüngere Lehrer/innen anboten. Einige Kinder unterliessen das Hochladen ihrer Lösungen, was nicht bedeutet, dass sie ihr Aufgaben nicht erledigt haben. Es könnte auch an fehlender PC-Erfahrung liegen, denn die Zeit für professionelle Schulungen fehlte schlichtweg. Die Oberstufenschüler/innen erhielten zusätzlich unkonventionelle Aufträge. Sie sollten den Nachbarn und der Familie helfend zur Seite stehen. Kleinere erledigten Lernaufgaben in der Natur oder schrieben einen Brief, den sie ins Altersheim schicken durften, oder führten ein Logbuch, eine Art Tagebuch.

Kontakte zwischen Schulkindern und ihren Lehrern/-innen
Während die Schulen geschlossen blieben, arbeiteten einige Lehrpersonen zu Hause, andere bevorzugten ihre gewohnte Umgebung, das Schulhaus. Die grösseren Kinder wandten sich mit Fragen per E-Mail an die Lehrpersonen, fanden es jedoch eher mühsam, weil die Antworten nicht postwendend da waren, wie vorher im Schulzimmer. Bei den Kleineren fand die Kommunikation häufig per Telefon statt. Kinder, die aus unterschiedlichen Gründen Mühe beim Homeschooling bekundeten, erhielten nach Absprache im Schulzimmer Unterstützung.
Die befragten Lehrerinnen empfinden den Präsenzunterricht deutlich spannender und abwechslungsreicher. Die spontanen Reaktionen der Schüler/innen, ihre Mimik und Gestik und der Blickkontakt fehlten ihnen. Im Gegenzug haben sie gemerkt, welche Energie Beziehungsarbeit – die während dem Lockdown fehlte – brauche. «Ich war am Abend deutlich weniger erschöpft als nach einem normalen Schultag», erklärte Mori und ergänzte: «Aber wenn ich immer Fernunterricht anbieten müsste, würde ich den Beruf wechseln.» Alles hat eben zwei Seiten. Die Wochen vor dem PC waren eher öde, weil viel korrigiert, kommuniziert und vorbereitet werden musste.
Beide Lehrerinnen vermissten ihre Teamkollegen/-innen, genossen dafür die gleitende Arbeitszeit. «Ich konnte selbst einteilen und dazwischen mal im Stall oder im Garten körperliche Arbeiten erledigen», meinte Canino. Mori, die in der Stadt lebt, litt während den Frühlingsferien an einem «Corona-Blues», einer Antriebslosigkeit, was sportliche Betätigung anbelangt. Doch mit dem aktiven Vorbereiten fürs nächste Quartal kam auch die Freude an der Bewegung im Freien zurück.

Back at school – zurück in der Schule
«Eigentlich sprechen alle vom gleichen Virus, das sich aber offensichtlich nicht überall gleich manifestiert. Sonst gäbe es nicht so viele verschiedene Lösungen, wie Kantone existieren», meinte Canino schmunzelnd. Mori empfindet viele Regeln als zwiespältig, nicht nachvollziehbar. Als Beispiel dafür erwähnte sie, dass die Kinder im Unterricht die Zwei-Meter-Distanz nicht einhalten müssen, Fussballspielen aber sei verboten.
Beide Frauen sind froh, dass für Lehrpersonen keine Maskentragpflicht eingeführt wurde. Sie halten sich an die Vorgaben, die für sie anders sind als für die Kinder. In jedem Schulzimmer bietet sich an einem kleinen Tisch die Möglichkeit, persönliche Gespräche mit den Schülern/-innen zu führen, nur durch ein Plexiglas getrennt. Gelegentlich entstehen komische Situationen. Einige Kinder vergessen sich und müssen an die nötige Distanz erinnert werden, andere wirken gehemmt, weil sie nichts falsch machen wollen. Es braucht Zeit, bis sich alle wieder ins soziale Gefüge mit andern Regeln integriert haben.

Änderungen und Anpassungen für die Zukunft sind denkbar
Verschiedene Lehrpersonen haben festgestellt, dass einige Kinder und Jugendliche zu Hause effizienter arbeiten können, weil sie nicht abgelenkt werden. Es wäre darum auch denkbar, weiterhin gewisse Lernprogramme für den Unterricht zu nutzen. Fernunterricht ist keine Alternative, doch das digitale Bewusstsein hat einen enormen Schub erlebt. Das wird gemäss den Lehrerinnen bestimmt Spuren hinterlassen.
Canino und Mori haben sich über positive Rückmeldungen von Eltern und Schülern/-innen sehr gefreut. Die Kommunikation ist intensiver gewesen als sonst. Auch die Lehrpersonen empfinden Dankbarkeit. Die Elternschaft hat das Homeschooling unterstützt und eine angenehme Lernatmosphäre geschaffen. Nun hoffen Lehrpersonen, Eltern und Schüler/innen darauf, dass keine zweite Infektionswelle folgen wird.

Helen Käser

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