Drei dominante Neubauten rücken ins Blickfeld

  10.08.2020 Burgdorf, Wirtschaft, Gesellschaft, Region

Bis Dienstag, 8. September 2020, liegen die Akten «Geringfügige Änderung der Überbauungsordnung Gyrischachen I (mit Änderung Zonenplan 1)» in der Baudirektion auf. Im Gegensatz zu früheren Jahren – Pläne für den Abriss der vielen Mehrfamilienhäuser mit 133 preisgünstigen Wohnungen und eine Neuüberbauung am Uferweg existieren seit vielen Jahren – bleibt diesmal eine Flut von Leserbriefen aus.

Enge Platzverhältnisse – damals üblich
Heute rufen Mietwillige nach preisgünstigen Wohnungen mit zeitgemässem Komfort. Dass diese Forderung kaum zu erfüllen ist, zeigt sich an den zahlreichen geschlossenen Fensterläden der Uferweg-Liegenschaften Nrn. 18 bis 60. Zwar ist die Lage sowohl für Familien als auch Paare oder Einzelpersonen in der Überbauung direkt neben der Emme ruhig und dank der Aussicht auf Schloss und Kirche schon fast idyllisch, aber eben: Die in den 1950er-Jahren gebauten 133 Wohnungen weisen folglich den damaligen Standard auf, der heutigen Ansprüchen kaum genügt.
Bekannt ist, dass nur noch wenige Mieter seit dem Bau der Häuser dort wohnen, die in den engen Dreieinhalb- oder Viereinhalbzimmerwohnungen entsprechend den damaligen Platzverhältnissen problemlos mehrere Kinder grossgezogen und stets ein angenehmes Nachbarschaftsverhältnis gepflegt haben.
Der grosse Park und die Nähe zur Emme haben sich fürs Spielen und Baden als ideal erwiesen. Ein kleiner Laden hat die nötigen Grundbedürfnisse gedeckt. Sogar ein Restaurant lädt zum Verweilen.

Hinweis auf Abriss
Die Überbauung Uferweg befindet sich im Besitz der Pensionskasse Previs Bern, die diese Wohnungen am Uferweg in den Häusern 18 bis 60 noch im derzeitigen Mietangebot aufführt: Als «günstig, praktisch, zentral» wird die Vierzimmerwohnung mit 61 m² Wohnfläche, sofortiger Verfügbarkeit und 1200 Franken Miete (darin 180 Franken Nebenkosten) angeboten. Die Verwaltung verweist auf die «schöne Lage direkt an der Emme mit guter Erschliessung zur Stadt Burgdorf sowie zur Autobahn». Unter PS erfolgt der Hinweis: «Am Uferweg in Burgdorf ist ein Neubauprojekt geplant. Voraussichtlicher Baustart ist im Februar 2022.»
Dieser Zeitplan ist seit dem Planungsbeginn der Überbauung im Jahr 2007 immer wieder über den Haufen geworfen worden. Damals präsentiert die Previs als Besitzerin der Uferweg-Liegenschaften einen zusammen mit der Stadt Burgdorf ausgearbeiteten Plan für den Bau eines von vielen als «Staudamm» bezeichneten Grosskomplexes von 135 m Länge, der sieben Stockwerke hoch werden soll. Ein Aufschrei geht durch Burgdorf und speziell durch das dortige Wohnquartier. Die Interessengemeinschaft Uferweg und zahlreiche Bevölkerungsgruppen von Burgdorf opponieren massiv; die Planung wird gestoppt. In zahllosen Leserbriefen machen vor allem Anwohner, aber auch politische Gruppierungen und andere ihrem Unmut Luft.

Ein Block bleibt vorerst stehen
Da seit Längerem der Abriss der Gesamtüberbauung geplant wird, finden sich nur noch vereinzelte Neumieter für leer stehende Wohnungen. Die meisten Wohnungssuchenden sind bereit, ortsübliche Mietzinse für Wohnungen mit zeitgemässem Komfort zu bezahlen. Folglich dürfte die Ära Uferweg mit den 6 Zweieinhalb-, 81 Dreieinhalb-, 45 Viereinhalb- und einer Sechseinhalbzimmerwohnung in absehbarer Zeit der Vergangenheit angehören.
Ein Wohnblock neben der Hausnummer Gyrischachenstrasse 61 soll vorerst stehen bleiben, damit eventuelle Umzugswillige aus ihrer Wohnung dorthin wechseln können, um die Bauphase in einer dieser Wohnungen überbrücken zu können.

Im Zeitgeist: mehr kleine Wohnungen
Mieter und Inhaberinnen der an die geplante Neuüberbauung mit drei Mehrfamilienhäusern anstossenden Wohnungen an der Gyrischachenstrasse Nr. 61 und den angebauten weiteren Hauseinheiten äussern schon heute Bedenken wegen der unvermeidlichen Immissionen betreffend Lärm, Lastwagenverkehr, Abtransport des enormen Abbruchmaterials der Überbauung Uferweg und künftiger Sichteinschränkungen.
Geplant sind drei Mehrfamilienhäuser mit vier, sechs und zehn Stockwerken und darin 36, 63 und 77 Wohnungen. 19 davon entfallen auf Eineinhalb- und 48 auf Zweieinhalbzimmerwohnungen, der Rest auf grössere. Von auffallend wenigen Parkplätzen sind 102 in der Einstellhalle und 15 im Freien geplant, dafür aber 375 Veloabstellplätze.
Der Previs-Vorschau betreffend neue Überbauungen ist bei der Beurteilung des Uferweges zu entnehmen, dass «die drei verschiedenen Baukörper eine Ausgewogenheit im Siedlungsgefüge schaffen und die Identität des Ortes stärken». Weiter sollen sie sich «harmonisch in die bestehende Quartiergliederung einfügen und Bezug nehmen auf die gewachsene Baustruktur. Sie ermöglichen Durchblicke von der Hanglage her.» Aber schränken die heutige Fernsicht von Nachbarn ein.

Was bedeutet ortsüblich und günstig?
Nach mehr als 13 Jahren Planung ist den Verantwortlichen von Previs klar, dass die Burgdorfer Öffentlichkeit die Preise der neuen Uferweg-Wohnungen genau unter die Lupe nehmen wird. Das nicht zuletzt wegen der 2017 eingereichten Gemeindeinitiative für bezahlbaren Wohnraum. 1150 Personen haben damals die Initiative unterzeichnet im Hinblick darauf, dass Jahr für Jahr immer mehr alte und günstige Wohnungen verschwinden. Auch in Burgdorf gibt es immer noch Personen, die einfache bis sehr einfache Verhältnisse bei einem niedrigen Mietzins akzeptieren.
Das heutige Previs-Versprechen lautet: «Die Wohnungen in der neuen Siedlung werden nicht luxuriös, doch komfortabel sein und heutigen Wohnansprüchen genügen. Es entsteht dem heutigen Standard entsprechend günstiger Wohnraum. Die Wohnungen werden nach ortsüblichen Mieten und zu 25 Prozent im Segment preisgüns­tiger Wohnraum angeboten.» Als Baubeginn nennt Previs «ab Frühling 2022», als Bezugstermin «ab Frühling 2024».
Trotz der in den letzten Jahren realisierten zahlreichen Wohnüberbauungen scheint Burgdorf bei Investoren nach wie vor eine lohnende Gemeinde zu sein. Diese Zeitung berichtete vergangene Woche über den nächsten Bauabschnitt beim Suttergut (ehemaliges Aebi-Areal), wo ungefähr zur gleichen Zeit wie am Uferweg 80 neue Miet- und Eigentumswohnungen mit ähnlichen Konditionen gebaut werden sollen.

Gerti Binz

 


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