Armon Orlik – der erste König aus dem Bündnerland
03.09.2025 Sport, Gesellschaft, Sport56’500 Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten am vergangenen Samstag und Sonntag die Duelle im Sägemehl in der temporären Arena am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest 2025 in Mollis (GL). In den entscheidenden Phasen waren die Tribünen stets bis auf den letzten Platz besetzt. Bei angenehmen spätsommerlichen Temperaturen – lediglich am Samstag fielen vorübergehend einige Regentropfen – erlebte das Publikum Schwingsport vom Feinsten mit zahlreichen dramatischen Szenen, grossen Überraschungen und spektakulären Wendungen. Gang für Gang nahm das Fest seinen Lauf – und immer wieder wechselten die Namen der heissesten Anwärter auf den Königstitel. Bis zum Schluss am Sonntagnachmittag blieb es hochspannend, da sich verschiedene Schwinger Hoffnungen auf den Festsieg machen durften.
Die entscheidende Phase
Nach sieben Gängen positionierten sich gleich drei Nordostschweizer Schwinger mit je 67.00 Punkten an der Spitze der Zwischenrangliste: das Trio Armon Orlik, Maienfeld, Samuel Giger, Märstetten, und Werner Schlegel, Hemberg. Lediglich ein Viertelpunkt fehlte dem Guggisberger Fabian Staudenmann als stärkstem Berner, um ebenfalls für die Schlussgang-Qualifikation in Frage zu kommen.
Das Einteilungsgericht entschied sich für die Schlussgang-Paarung Giger gegen Schlegel. Der Bündner Armon Orlik traf im 8. Gang auf den Innerschweizer Pirmin Reichmuth, zweifacher Brünig-Sieger, der zuvor seinen Rücktritt vom Schwingsport angekündigt hatte. Im vierten Gang zog sich Reichmuth eine Verletzung am Knie zu, biss allerdings auf die Zähne und kämpfte tapfer weiter. Nach einer längeren Abtastungsphase gelang es Armon Orlik in der 5. Minute, Reichmuth zu Boden zu bringen, ihn anschliessend wieder hochzuhieven und ihn dann kopfüber platt ins Sägemehl zu wuchten, sodass dabei die Bestnote resultierte. Damit war klar, dass Giger und Schlegel den 30-jährigen Armon Orlik nicht mehr überholen konnten und er das ESAF 2025 als Erstgekrönter mit 77 Punkten mindestens auf Rang 1b als Co-Festsieger abschliessen würde.
Der Schlussgang war auf eine Maximaldauer von 16 Minuten angesetzt. Der erst 22-jährige Toggenburger Werner Schlegel und der 27-jährige Thurgauer Routinier Samuel Giger erwiesen sich als ebenbürtig und neutralisierten sich weitgehend gegenseitig. Im Abnützungskampf zeigten sich leichte Vorteile für Schlegel, der einige Offensivaktionen lancierte, die Giger allerdings abzuwehren vermochte. Schliesslich endete der Schlussgang gestellt.
Armon Orlik – der neue Schwingerkönig
Kurz nachdem sich Werner Schlegel und Samuel Giger die Hand gereicht hatten, wurde Armon Orlik als Punktbester von der Einteilung verdientermassen zum Schwingerkönig ernannt. Unter grossem Jubel der Zuschauerinnen und Zuschauer schulterten die beiden Schlussgangteilnehmer den Festsieger und zeigten sich als faire Verlierer. Armon Orlik schreibt somit Schwingergeschichte: Noch nie zuvor stand ein König nicht im Schlussgang im Ring. Zudem ist er der erste Schwingerkönig aus dem Kanton Graubünden.
Seinen Triumph hat er sich hart erarbeitet. Im Jahr 2016 zog er am «Eidgenössischen» in Estavayer-le-Lac nach einem spektakulären Duell gegen Matthias Glarner den Kürzeren. In Glarus holte er sich den Festsieg mit Erfolgen gegen Matthias Aeschbacher, Roman Wandeler, Lars Voggensperger, Steven Moser, Matthias Herger und Pirmin Reichmuth. Nur gegen den Innerschweizer Joel Wicki, der vor drei Jahren in Pratteln zum König avancierte, sowie gegen das Emmentaler Jungtalent Michael Moser aus Biglen musste er sich mit einem Gestellten begnügen.
Die Schlussrangliste
Hinter Armon Orlik folgt in der Schlussrangliste mit 76.75 Punkten auf dem zweiten Platz der Guggisberger Fabian Staudenmann, der im Vorfeld als einer der grossen Favoriten für den Festsieg gehandelt wurde. Im ersten Gang traf Staudenmann auf Samuel Giger – der Kampf der Titanen endete gestellt. Danach bezwang der Guggisberger This Kolb – allerdings ohne die Maximalnote zu erreichen – und legte den Nordostschweizer Eidgenossen Marco Good platt ins Sägemehl. Im vierten Gang musste Staudenmann allerdings eine bittere Niederlage gegen Werner Schlegel einstecken – ein herber Rückschlag für seine Königsambitionen. Am zweiten Festtag ging Staudenmann zum Angriff über, bodigte Thomas Burkhalter, rang Adrian Odermatt nieder und legte das Thurgauer Schwergewicht Domenic Schneider auf den Rücken, wobei er dafür nur 9.75 Punkte erhielt - ein höchst umstrittener Entscheid, der Staudenmann um die Schlussgang-Teilnahme brachte. Die letzte Aufgabe meisterte das Mitglied des Schwingklubs Schwarzenburg mit einem klaren Sieg gegen Sven Schurtenberger souverän.
Auf Platz drei klassierte sich Michael Moser vom Schwingklub Zäziwil mit 76.25 Punkten. Dieser musste gleich im ersten Gang gegen König Joel Wicki antreten – und landete trotz verzweifelter Gegenwehr auf dem Rücken. Danach zeigte der 20-jährige Emmentaler aus Biglen sein Können mit Triumphen über Ueli Rohrer und Reto Fankhauser. Das Duell gegen den Kilchberger- und Unspunnen-Sieger Samuel Giger endete gestellt, wobei Moser den Favoriten massiv unter Druck setzte und den Sieg nur um Haaresbreite verpasste. Christian Biäsch und der Solothurner Marius Frank avancierten zu den nächsten Opfern des erfolgshungrigen Emmentalers, der anschliessend Armon Orlik forderte und dem späteren Festsieger einen Gestellten abtrotzte. Im Duell gegen Lars Voggensperger holte sich Moser zum Abschluss einen weiteren Sieg. Mit seinem beeindruckenden Auftritt in Mollis stellte der frischgebackene Eidgenosse eindrucksvoll unter Beweis, weshalb er als neuer Stern am Schwingerhimmel gehandelt wird.
Der Rüegsauer Matthias Aeschbacher, der vor drei Jahren am «Eidgenössischen» in Pratteln im Schlussgang in einem dramatischen Duell Joel Wicki unterlag, platzierte sich mit 76 Punkten auf dem vierten Rang. Diesen teilte er sich mit Michael Ledermann, Mamishaus, und Domenic Schneider, Friltschen. Aeschbacher verlor im ersten Gang gegen Armon Orlik und wurde im fünften Gang vom Innerschweizer Eidgenossen Matthias Herger gebodigt. Siege feierte der Rüegsauer über Beat Suter, Roman Zurfluh, Marius Frank, Lukas Bissig, Tim Roth und Fabian Kindlimann. Auf Platz fünf klassierten sich Samuel Giger, Werner Schlegel, Nick Alpiger, Adrian Walther und Lukas Bissig.
Spektakuläre Triumphe, bittere Niederlagen
Sieg und Niederlage, Triumph und Enttäuschung liegen oftmals nahe beieinander. Der Innerschweizer Joel Wicki, der die Verteidigung des Titels anstrebte, begeisterte am Samstag mit einem souveränen Auftritt und
beendete den ersten Tag mit einer Bilanz von drei Siegen und einem Gestellten. Doch am Sonntag platzten seine Träume von der Titelverteidigung. Gegen den Südwestschweizer Romain Collaud musste er sich mit einem Gestellten begnügen. Wicki glaubte, Collaud bereits mit dem Rücken ins Sägemehl gedrückt zu haben – und haderte anschliessend mit dem umstrittenen Entscheid der Kampfrichter. Danach war das Momentum weg. Es folgte noch ein Sieg und zwei weitere Gestellte, sodass der König letztlich «nur» den 9. Rang belegte.
Einen spektakulären Höhenflug legte Fritz Ramseier, Süderen, am Samstag hin. Der 31-jährige Emmentaler verbuchte vier Siege – und bodigte zur Begeisterung des Publikums mit Damian Ott, Sven Schurtenberger und Joel Strebel gleich drei
Eidgenossen. Am Sonntag ging Ramseiers Siegesserie dann zu Ende. Doch mit dem 7. Rang und dem Gewinn seines ersten eidgenössischen Kranzes darf der Landwirt aus dem Emmental mehr als nur zufrieden sein. Er freute sich sehr über den Erfolg.
Kranzvergabe
Insgesamt wurden in Mollis vierzig Kränze vergeben. Zwölf gingen an die Berner. Sie stellten damit zum vierten Mal in Folge das erfolgreichste Team. Zehn Kränze holten sich die Innerschweizer, neun die Nordostschweizer, acht die Nordwestschweizer und einer ging an die Südwestschweizer.
Text: Markus Hofer