Die «IG BildungsHügel» bezieht Stellung gegen den Bildungscampus Burgdorf

  29.10.2024 Burgdorf, Gesellschaft, Aktuell

Am 22. August 2024 informierte der Regierungsrat des Kantons Bern über die Priorisierung der Investitionsvorhaben und gab öffentlich bekannt, aus Spargründen auf verschiedene Hochbauprojekte zu verzichten – unter anderem auf die Realisierung des seit Langem geplanten Bildungscampus Burgdorf, bestehend aus der Technischen Fachschule (TF), die von Bern auf das Gsteig-Areal hätte umziehen sollen, sowie dem erweiterten Gymnasium Burgdorf. Der Entscheid sorgte in Burgdorf und der Region für Empörung, da die Kantonsregierung eigenmächtig einen breit abgestützten regionalpolitischen Kompromiss aufkündete («D’REGION» berichtete am 27. August 2024). Die TF, im Volksmund «Lädere», war der Zähringerstadt als Entschädigung für den Wegzug der bisher in Burgdorf angebotenen Studiengänge der Berner Fachhochschule zugesichert worden.

Widerstand gegen das Projekt seitens der «IG BildungsHügel Burgdorf»
Ein Zusammenschluss von Bürgerinnen und Bürgern aus Burgdorf bildet neu die «IG BildungsHügel Burgdorf». Diese greift als Akteurin in die Debatte ein. Der Gruppe gehören unter anderem Martin Wangler, Claudia Spycher, Werner Eichenberger, Roger Badertscher, Jörg Amport und Wally Achtermann an. Aus ihrer Sicht verletzt der geplante Neubau die aktuell gültige baurechtliche Grundordnung, da sich die TF stark gewandelt habe: Aus einer Lehrwerkstätte, in der früher «Stifte» am Schraubstock, an der Hobelbank oder an der Werkzeugmaschine Übungsstücke herstellten, sei ein eigentlicher Industriebetrieb mit grosser Werkhalle entstanden, der einen subventionierten Jahresumsatz von 2,4 Millionen Franken für Private, Gewerbe und Industrie generiere. Die Fachschule mit ihrer industriellen Produktion gehört gemäss Interessengemeinschaft (IG) nicht auf den Burgdorfer «Bildungshügel», sondern ist an den aktuellen Standorten in Bern besser aufgehoben.

Überdimensionierter Bau
Weiter kritisiert die IG das aus einem Architekturwettbewerb hervorgegangene Siegerprojekt des geplanten Bildungscampus. Dieses sei massiv überdimensioniert, liege zu nahe an den bestehenden historischen «Tech-Gebäuden» und passe in seiner Art nicht zum lockeren, gartenstadt­artigen Bebauungscharakter des Gsteig-Hügels: Der mächtige Bau nehme keine Rücksicht auf das bestehende Ortsbild und verletze die Ensembleschutzzone, die mit einem absoluten Bauverbot belegt ist.
Eine Analyse des Raumprogramms zeigt gemäss der IG, dass effektive «Unterrichtsräume» (Schulzimmer) nur rund 5 Prozent des Bauvolumens ausmachen. Zusammen mit Turnhalle und Aula ergeben sich knapp 15 Prozent für Schulräume im weiteren Sinn, den überwiegenden übrigen Teil bilden Werkhalle, Einstellhalle, technische Räume, Korridore, Büros, Mensa etc. Damit verletzt das Projekt nach Einschätzung der IG die aktuell gültige baurechtliche Grundordnung, welche Kindergärten, Schulen, Turnhallen, Kinderhorte und -krippen zulässt, aber keine Industriebetriebe. Daher müsste in einem weiteren Schritt die Bauordnung angepasst werden. «Korrekt wäre es, zuerst den Zonenplan zu überprüfen und anschliessend die geplanten Neubauprojekte entsprechend den Vorgaben zu konzipieren. Es sei damit zu rechnen, dass gegen diese Zonenplanänderung das Referendum ergriffen werde», hält die IG fest.

Unfallgefahren durch erhöhten Lastwagenverkehr
Bei einer Realisierung des Bauprojekts warnt die Gruppierung vor Gefahren für Kindergarten- und Schulkinder. Die Wege zu den Gsteig-Schulhäusern führen über die Technikumstrasse. Abbruch, Aushub und Neubau hätten unzählige Lastwagenfahrten zur Folge. Aber auch nach Aufnahme des Betriebs würde durch die Anlieferung von Rohmaterial und den Abtransport von fertigen Produkten der TF ein Schwerverkehrsaufkommen verursacht. Das Kreuzen von PW und Linienbus ist bereits heute nur bei stark reduzierter Geschwindigkeit möglich.
Die Erschliessung der Technischen Fachschule für den motorisierten Verkehr auf dem Gsteig beurteilt die Interessengruppe als problematisch. Grosse Schwierigkeiten würden sich beim «National»-Kreisel und der «Tiergarten»-Unterführung ergeben.
Nach Ansicht der IG eröffnet sich für Burgdorf, sofern der Bildungscampus nicht realisiert wird, die Chance, die anstehenden Schulraumprobleme überlegt anzupacken. Aus diesem Grund – und angesichts des grossen kantonalen Sparpotenzials, das mit mindestens 133 Millionen Franken beziffert wird – unterstützt die IG den Verzichtsentscheid des Kantons. Sie sammelt gemäss dem Motto «Bildungs-Hügel: Schule JA – Industriebetrieb NEIN» Unterschriften, welche den Mitgliedern des Grossen Rats abgegeben werden sollen. Gemäss Stand am 27. Oktober 2024 wurden bereits über 250 Unterschriften zusammengetragen.

Wie geht es nun weiter?
Den definitiven Entscheid über die Zukunft des Bildungscampus Burgdorf wird der Grosse Rat in der Wintersession Ende November 2024 fällen. Der Gemeinderat der Stadt Burgdorf setzt sich vehement dafür ein, dass das Projekt realisiert wird und die Kantonsregierung ihr einst gegebenes Versprechen hält. Zu den Vorbehalten der «IG BildungsHügel» äussert sich Stadtpräsident Stefan Berger wie folgt: «Mit der Ansiedlung der Technischen Fachschule Bern entsteht ein schweizweit einzigartiger Bildungscampus, der Theorie und Praxis in innovativer Weise verbindet. Er bietet nicht nur eine erstklassige technische Ausbildung, sondern auch die Möglichkeit, in einem dynamischen Umfeld die Fachkräfte von morgen zu fördern und zu formen. Gemeinsam mit dem Gymnasium, dem TecLab und dem Bildungszentrum Emme (bzemme) bildet die TF Bern das Herzstück eines visionären Bildungsstandorts, der als Kompetenzzentrum für technische Bildung weit über die Region hinaus strahlen wird. Es handelt sich also in keiner Art und Weise um einen Industriebetrieb, sondern um einen erstklassigen Ausbildungsort mit angegliederten Lehrwerkstätten. In dem mit Einbezug des Quartiers durchgeführten Wettbewerb ist die fachkundige Jury zusammen mit der Denkmalpflege klar zum Schluss gekommen, dass das Projekt raumplanerisch verträglich ist. In der weiteren Bearbeitung des Siegerprojektes wurden weitere Bedürfnisse aus der Bevölkerung aufgenommen und umgesetzt. Dass Bauprojekte jeglicher Art Baustellenverkehr mit sich bringen und Begleitmassnahmen getroffen werden müssen, ist klar. Wir werden alles daransetzen, die Bauausführung so verträglich wie möglich zu gestalten.» 

Markus Hofer

Weitere Informationen unter www.bildungscampus-burgdorf.bvd.be.ch.


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