Ein Emmentaler und sein Velo auf Weltreise

  20.08.2025 Aktuell, Gesellschaft, Hasle bei Burgdorf

Nur mit seinem Fahrrad, einem Zelt und ein paar Wechselkleidern ausgerüstet durchquerte Kilian Schneider in den vergangenen 19 Monaten insgesamt 16 Länder auf seiner Reise vom südlichsten Punkt Südamerikas bis ganz in den Norden ans Polarmeer in Kanada. Der Zeitung «d’Region» erzählt der 37-Jährige von seinen Erlebnissen und Eindrücken.

Von der Idee bis zur Durchführung
Bereits im Jahr 2009 packte Kilian Schneider zum ersten Mal die Reiselust. Damals noch im Kleinen, denn seine erste Fernreise führte ihn «nur» von Biembach im Emmental durch den Schwarzwald in Richtung Stuttgart und wieder zurück. Diese erste Reise legte er mit zwei Pferden zurück – und sie weckte den Wunsch nach mehr. Insbesondere das Losgehen ohne Ziel hat es dem Emmentaler angetan.
Er startete im Februar 2022 zunächst auf eine Tour quer durch Europa. Nach einem kurzen Abstecher nach Neuseeland, bei dem das Velo zugunsten der Wanderschuhe zurückgelassen wurde, reiste Kilian Schneider schliesslich im Winter 2023/2024 nach Südamerika. Die Route entlang der «Panamericana» einzuschlagen, einer Strasse, welche den amerikanischen Kontinent von Süden bis Norden durchquert, war ursprünglich gar nicht geplant gewesen. Nach Ushuaia in Argentinien, der südlichsten Stadt Südamerikas, hatte Kilian Schneider eigentlich das sommerliche Klima im Januar gelockt. Gemäss seinem ursprünglichen Plan beabsichtigte er, Richtung Norden loszufahren und zu sehen, wohin der Wind ihn treibt. Und so startete er auf diese Reise, welche erst enden sollte, sobald das Geld ausgehen oder die Lust nachlassen würde.
Auf die Idee der Kontinentendurchquerung brachten ihn andere Veloreisende, welche ihm auf der Strecke begegneten. Die Route der «Panamericana» ist bei Velotourenfahrenden relativ beliebt. Vor allem Deutsche,
Französinnen, Franzosen und US-Amerikaner/innen verschlägt es auf diese anspruchsvolle Strecke, welche traditionell in Prudhoe Bay (Alaska) startet und in Ushuaia endet. Unter den Fahrradreisenden auf der Strecke der «Panamericana» hat sich eine Community gebildet. In Whatsapp-Gruppen wird diskutiert, welche Pässe passierbar sind und vor welchen Gefahren man sich hüten sollte.

Auf Umwegen ans Ziel
Kilian Schneider folgte der Strecke jedoch keineswegs geradlinig, schliesslich hatte er keinen fixen Zeitplan einzuhalten. Zudem  musste er die Reise auch auf die verschiedenen zu passierenden Klimazonen abstimmen. So wich er mehrmals vom Weg ab, um besonders beeindruckende Naturwunder zu bestaunen. Die Umwege verlängerten die direkteste Strecke von ungefähr 25 000 auf fast 35 000 Kilometer, waren es aber auf jeden Fall wert und führten ihn zu einigen Highlights auf seiner Reise.
Auch gegen Schluss verliess Kilian Schneider die übliche Route und beschloss, sich dem Polarmeer über Kanada anzunähern. Dort fand diese Reise ohne Ziel dann doch ein Ende. Die Rückkehr in die Schweiz vom kleinen Ort Tuktoyaktuk aus stellte sich jedoch noch als letzte Hürde heraus. Die kleine Ortschaft ist ausschliesslich über eine 900 Kilometer lange Schotterstrasse mit der Zivilisation verbunden. Diese Strasse musste Kilian Schneider dann zum zweiten Mal passieren, bevor es nach Anchorage (Alaska) ging, von wo aus er nach Hause flog.

Highlights ohne Ende
Zu den absoluten Highlights der Reise gehören für Kilian Schneider rückblickend vor allem viele Naturwunder wie die Nationalparks im Südwesten der USA mit ihren sandsteinernen Bergen und Tälern, der Grand Canyon und das Monument Valley mit den von Weitem sichtbaren Tafelbergen. Als weiteren eindrücklichen Höhepunkt erlebte er den Regenbogenberg in Peru, welcher aufgrund der vielen unterschiedlichen Gesteinsschichten  sehr farbenfroh wirkt.
In Guatemala übernachtete Kilian Schneider mit einer geführten Reisegruppe auf dem Nachbarberg eines aktiven Vulkans und beobachtete in der Nacht aktive Lavaströme. Auch die tropischen San-Blas-Inseln stechen durch ihre Naturbelassenheit und Unberührtheit aus den Erlebnissen hervor. «Sie sehen aus wie Bilderbuchinseln: Sand, zwei, drei Palmen und sonst nichts», berichtet der begeisterte Sportler.
Speziell beeindruckt haben ihn auf seiner Reise die Wüstenregionen. «Es gibt nicht Besseres, als in der Wüste mit kilometerlanger Sicht in alle Richtungen zu campen», schwärmt Kilian Schneider. «Auch die ‹Salar de Uyuni› war extrem eindrücklich», beschreibt er den Salzsee, der im Winter komplett austrocknet und zur Salzwüste wird.
 
Gelebte Gastfreundschaft
Das vielleicht schönste Erlebnis sei jedoch die Herzlichkeit der lokalen Bevölkerung in Süd- und Zentralamerika gewesen. Wenn er mit seinem Velo unterwegs war, wurde Kilian Schneider oft aus einem Lastwagenfenster heraus eine Wasserflasche angeboten oder er wurde gefragt, ob alles in Ordnung sei. Auch auf der Suche nach Schlafplätzen in städtischen Gebieten sei es meist sehr unkompliziert gewesen, eine Ruhestätte zu finden. Als Geheimtipps bezeichnet er Restaurants und Feuerwehrzentralen. Dort sei es meistens möglich gewesen, nach Betriebsschluss irgendwo auf dem Gelände das Zelt aufzustellen. Die Feuerwehrleute liessen ihn sogar in den Bereitschaftsbetten schlafen.
Auch in Mexiko, wo er drei Monate verbrachte, wurde Gastfreundschaft grossgeschrieben. Mehrmals wurde ihm im Supermarkt einfach so der Einkauf bezahlt. «Das macht man hier so. Du bist unser Gast», hiess es.

Die Eindrücke verarbeiten
Auf die Frage, ob er sich in den knapp zwei Wochen, in denen er wieder zu Hause ist, gut eingelebt habe, antwortet Kilian Schneider: «Ich bin mich noch am Einleben. Am meisten vermisse ich die grosse Weite der Wildnis.»
Die nächste Reise soll ihn dereinst nach Osten über Kasachstan in die Mongolei führen. Das aber frühestens in fünf Jahren. Vorerst will er vor allem die Eindrücke der letzten dreieinhalb Jahre verarbeiten und sich wieder an das Leben in der Schweiz gewöhnen.
Text: Rosie Schenk
Bilder: zvg


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