Wer ab und zu im Lochbach spazieren geht, hat das Tiny House von David Hunziker bestimmt schon gesehen. Er hat sich in unmittelbarer Nähe zum Wald eine kleine Oase geschaffen. Ein schmaler Holzsteg führt zum Wohnwagenähnlichen Heim von David Hunziker. Aus einem alten Tiefgänger der Armee hat sich der 43-Jährige ein neues Zuhause geschaffen.
Doch was ist der Grund für diese spezielle Wohnform? Etwa ein ausgeprägter Freiheitssinn? Oder unumstössliche Prinzipen und Ideale? «Nichts von all dem», antwortet David Hunziker schmunzelnd. «Bevor ich mit dem Bau des Tiny House begann, wusste ich praktisch nichts über diese Wohnform und hätte folglich auch nicht damit gerechnet, eine solche mal als mein Zuhause zu bezeichnen.» Der Grund für diese Art zu wohnen ist privater Natur. David Hunziker lebte früher mit seiner Frau und den zwei Kindern in einem eigenen Haus in Heimiswil. Im Jahr 2021 trennten sich seine Frau und er. Der gelernte Gartenbauer arbeitete zu einem 60-Prozent-Pensum und war für die Kinderbetreuung zuständig, daran sollte sich auch danach nichts ändern. «Ich und meine Ex-Frau einigten uns darauf, dass ich innerhalb eines Jahres eine neue Wohnung finden sollte», erzählt er. Kurz nach der Trennung zeigten sich jedoch die finanziellen Grenzen und die Schwierigkeit, eine Mietwohnung zu finden. «Uns war wichtig, dass wir unser Haus auch für die Kinder behalten können. Ein normales Mietverhältnis kam daher leider kaum infrage und so informierte ich mich über alternative Wohnformen.»

Vom Tiefgänger zum Tiny House
Per Zufall stiess David Hunziker über YouTube auf jemanden, der einen alten Zirkuswagen in ein Tiny House umgebaut hatte. «Zu Beginn faszinierten mich dabei vor allem die handwerklichen Aspekte. Doch bald einmal kam mir die Idee, etwas Ähnliches zu tun. Mir war sofort klar, dass ich mit einem solchen Tiny House einiges an Kosten sparen könnte», erinnert er sich. Er kaufte einen alten Tiefgänger der Schweizer Armee und begann im Oktober 2021 mit den Arbeiten daran. Den Wagen stellte er im Garten des Familienhauses auf, Stück für Stück nahm das Tiny House Form an. Dabei arbeitete David Hunziker komplett in Eigenregie, finanziell unterstützte ihn seine Mutter. Die nötigen Materialien für sein Projekt bezog er aus der Region. «Auch für meine beiden Söhne war es toll, dass die Trennung der Eltern dadurch ein greifbarer Prozess wurde und nicht innerhalb kürzester Zeit vonstatten ging. Sie sahen zudem mein neues Zuhause Schritt für Schritt entstehen.»
David Hunziker arbeitete bei der Erstellung seines Tiny Houses nicht nach fixen Plänen, sondern nach einem klaren Bild, das er von Anfang an im Kopf hatte. Das kleine Häuschen auf Rädern verfügt über ein separates Badezimmer, eine Küchenkombination mit voller Ausstattung führt zu einer kleinen Bühne mit Sofa. Dort lässt sich ein 2 x 2 Meter grosses Bett herunterfahren. Auf der anderen Seite des Wagens führt eine kleine Leiter zu einer Dachnische, wo zwei Betten für seine Söhne untergebracht sind. Es ist beeindruckend, was David Hunziker da geschaffen hat. Komfort vermischt sich mit Funktionalität und trotz der engen Raumverhältnisse fühlt man sich im Tiny House sofort sehr wohl. «Ich bin durchaus stolz darauf, was aus dem ursprünglichen Tiefgänger geworden ist», sagt David Hunziker lachend.

Der unerlaubte Standort
Bereits während dem Bau  des Tiny House begab sich David Hunziker aktiv auf die Suche nach einem Standort in der Region, damit er nach wie vor die Kinderbetreuung wahrnehmen kann. Fündig wurde er bei einem Spaziergang im Lochbach. «Ich wollte mit meinem Tiny House niemanden stören und dieses legal platzieren. Der Platz direkt am Waldrand schien mir perfekt.» Der Landbesitzer Jonas Lauwiner vermietet ihm den gewünschten Platz seit November 2022 ganz unkompliziert. So ist es David Hunziker möglich, seine Wohnkosten auf ein Minimum zu reduzieren. Das Tiny House ist ans Stromnetz angeschlossen und an die Kanalisation angebunden. Geheizt wird mit einem Pellet-Ofen. «Auch wenn ich mir das niemals vorstellen konnte, ist es nun extrem schön, so zu wohnen. Es ist definitiv eine Umstellung und auch nicht für alle gemacht, doch für mich passt es. Ich fühle mich frei. Und am wichtigsten: Meine beiden Söhne fühlen sich hier extrem wohl», schwärmt David Hunziker. Das Tiny House fällt auf – auch den zahlreichen Spaziergängern/-innen entlang des Waldes. «Am Anfang waren die Blicke komisch, doch man gewöhnt sich daran. Ich gehe damit sehr offen um und gebe Interessierten auch gerne einen kurzen Einblick in meine vier Wände», erzählt David Hunziker.
Dass das Tiny House auffällt, hatte für ihn aber auch negative Folgen. Kurz nach Bezug des Standorts meldete ein Bürger das Tiny House dem Regierungsrat. Dieser nahm Kontakt zur Stadt Burgdorf auf, welche David Hunziker wiederum darauf aufmerksam machte, dass sich sein Tiny House in einer Landwirtschaftszone und zudem zu nahe am Wald befinde. Die Stadt machte ihm klar, dass er den Standort räumen müsse. Das stellt für David Hunziker auch kein Problem dar: Sein Haus sowie Veranda und Holzsteg lassen sich leicht abbauen und transportieren. Jedoch be­nötigt David Hunziker einen neuen Platz dafür. «Ich verstehe, dass die Behörden aktiv werden. Allerdings bedauere ich es, dass das Vorgehen aus meiner Sicht nicht sehr lösungsorientiert ist.» Er sei sicher, dass sich irgendwo in Burgdorf und Umgebung ein Plätzchen für ihn und sein Tiny House finden lasse. Eine potenzielle Alternative in Ersigen wurde von der Gemeinde nicht genehmigt. Die Stadt Burgdorf gibt David Hunziker wohl noch bis Ende August dieses Jahres Zeit, den Platz zu räumen und in den Ursprungszustand zurückzusetzen. «Ansonsten droht mir eine Busse von bis zu 40 000 Franken.» So ist David Hunziker gezwungen, ein neues Plätzchen für seine idyllische Oase zu finden. «Mein Ziel ist es mit Sicherheit nicht, bis zur Pension so zu wohnen. Doch momentan ist es für mich die bestmögliche Wohnform», hält er fest. Er hoffe daher sehr, dass sich ein neuer Standort für seine kleine Oase finden lasse.

Joel Sollberger