Handfeste Freiheit?

  11.06.2024 Aktuell, Burgdorf, Gesellschaft

Vor 751 Jahren bekam die Stadt Burgdorf einen handgeschriebenen Freiheitsbrief, die sogenannte Handfeste. Sie hält die Rechte und Pflichten fest, die den Burgern der Stadt damit verliehen wurden. Burgdorf erlangte dadurch mehr Selbständigkeit und Freiheit, was wichtig war für die Stadtentwicklung. Die Handfeste war der Grundstein für die Stadt Burgdorf von heute.
Vergangene Woche trafen sich zwei Philosophen, Peter Wyss und Andi Zsindely, in der Abendsonne auf der Terrasse der Casino Theke. Sie führten ein Gespräch, wie es Wyss auch in seiner Praxis anbietet. Er bezeichnet diese Art von Interaktion als «philosophischen Salon». Darunter versteht er Diskussionsabende, an denen in lockerer Atmosphäre über ein spezifisches und aktuelles Thema nachgedacht und diskutiert wird.
Das Thema des Abends, zu dem die Stadt Burgdorf eingeladen hatte, war «Freiheit», angelehnt an die Handfeste, die dem Burgdorfer Volk mehr Freiheit brachte. Im Gespräch vermittelten die beiden Philosophen Grundwissen zum Thema und einen
Stimulus, damit die Gäste sich später in die Diskussion einbringen konnten.

Freiheit ist der Gewinn der Unabhängigkeit
Der Begriff «Freiheit» vermittelt Bewegungs-, Rede- und Meinungsfreiheit. Heisst das, man kann ohne Einschränkungen alles machen, was man will? Nein, Freiheit bedeutet, dass zwischen Wollen und Handeln ein Spielraum besteht, die Selbstkontrolle und Reflexion. Jeder Mensch hat also eine innere Freiheit, die Willensfreiheit. Das bedeutet, dass er nicht planlos konsumiert, sondern überlegt, was ihm wichtig ist.
Bei der Handfeste ging es um politische, kollektive Freiheit. Die Planung des eigenen Lebens hat politische Bedeutung, weil es die gesamte Bevölkerung beeinflusst. Das setzt Regeln voraus, damit auch diejenigen Menschen, die eine Beeinträchtigung haben, von Armut betroffen sind oder sich aufgrund persönlicher Eigenheiten nicht selbst wehren können, zum politischen Gefüge gehören. Das Sprichwort «Die Freiheit der Mächtigen ist die Unfreiheit der Schwächeren» darf nicht zum Tragen kommen.

Publikumsgedanken zur Freiheit
Das Publikum diskutierte rege mit. Die Meinung, dass das Wort «Freiheit» antiquiert sei, teilten einige der Anwesenden. Eine grosse Gefahr seien nämlich der Individualismus und der Egoismus, die die Mitmenschen in den Schatten stellten. Ein Beispiel sei der Klimawandel, wo alle Verantwortung übernehmen sollten, und da gehöre auch Verzicht dazu. Freiheit sei ein «Chrampf», Freiheit sei relativ und der Kapitalismus mäste die Unfreiheit, so einige Menschen, die sich zu Wort meldeten. Für eine Person, die in einem Kriegsgebiete lebe oder in einem autoritären Staat, bedeute die Freiheit nicht dasselbe wie für uns in der demokratischen Schweiz. Der kulturelle und historische Kontext spielt demnach eine beträchtliche Rolle. Auch Ethik ist ein wichtiges Gebiet in der Philosophie.
Zu all diesen Themen führten Peter Wyss, Andi Zsindely und das Publikum angeregte und vertiefte Diskussionen. Diese in Worten festzuhalten, wäre schwierig, doch sie hinterliessen bestimmt wertvolle Spuren bei denen, die an diesem Abend dabei waren.


 Helen Käser


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