Mehr Schutz vor Hochwasser und mehr Ökologie

  25.06.2025 Bätterkinden, Aktuell, Utzenstorf, Region

Nach einer Planungsdauer von mehr als zehn Jahren haben im Dezember 2024 die Bauarbeiten für den Hochwasserschutz und das Revitalisierungsprojekt in den Gemeinden Bätterkinden und Utzenstorf begonnen. In einem ersten Schritt wurden Rodungsarbeiten ausgeführt. Diese waren nötig, um mit den Arbeiten zur Verbreiterung des Gerinnes beginnen zu können. Obwohl die Emme mehr Platz erhält, müssen Siedlungsgebiete weiterhin teilweise mit bestehenden Schutzdämmen vor Überflutung geschützt werden. Wo nötig, werden Dämme erhöht und Mauern optimiert respektive neu gebaut (Saal Anlage Bätterkinden; Schlossstrasse). Wo möglich, wird die Emme aber auch in ihrem Bett belassen. Namentlich im Bereich Ämmeschache-Urtenesumpf werden erst dann Massnahmen ergriffen, wenn bei künftigen Hochwassern eine gewisse Interventionslinie überschritten wird. Nicht zuletzt müssen die Pfeiler der Strassenbrücke Utzens­torf –
Bätterkinden in einem Verbund mit einer Betonscheibe zusammengefasst werden, weil zur Erhöhung der Abflusskapazität der Flusslauf auch auf der Seite von Utzenstorf aufgeweitet wird. Dank diesem separaten Projekt des Oberingenieurkreises IV kann unter anderem Verklausungen (Blockaden des Wasserlaufs durch Treibgutansammlung) vorgebeugt und die Statik der Brücke weiterhin sichergestellt werden.

Immer wieder Überschwemmungen
Mit diesen Massnahmen behebt der Schwellenverband Emme I. Sektion auf einer Länge von rund zwei Kilometern die fehlende Hochwassersicherheit und gestaltet die Emme ökologisch wertvoller. Das Projekt unter dem Namen «Objekt 05» ist Teil des Hochwasserschutzkonzepts aus dem Jahr 2010. Es wurde nach den Gross­ereignissen 2005 und 2007 erarbeitet. Im Abschnitt des Schwellenverbands Emme I. Sektion bestehen insgesamt sieben Abschnitte mit Hochwasserschutzdefiziten. Mit dem Projekt geht auch eine umfassende Renaturierung zwischen Burgdorf und Zielebach einher, wo die Emme in den Kanton Solothurn und später in die Aare übergeht. Die Arbeiten in Bätterkinden / Utzenstorf dauern voraussichtlich drei Jahre; die Behebung der Hochwasserschutzdefizite mit gleichzeitiger Emme-Revitalisierung noch mehrere Jahre. Danach ist die Region vor einem Hochwasser geschützt, wie es sich statistisch alle 100 Jahre ereignet. Die Grenze für ein Jahrhunderthochwasser liegt derzeit bei 630 Kubikmetern Wasser pro Sekunde, die im Fall der Fälle dank dem sogenannten Freibord sogar mit einer gewissen Marge abgeleitet werden könnten. Zum Vergleich: Der mittlere jährliche Emme-Abfluss beträgt knapp 20 Kubikmeter pro Sekunde. Der normalerweise friedliche Fluss kann nach starken Regenfällen innerhalb kürzester Zeit zu einem reissenden Strom anschwellen – so auch 2005, 2007 und zuletzt 2014, als urplötzlich auftretende Hochwasser für Überschwemmungen an der unteren Emme sorgten. Die Wassermassen beschädigten Dämme und Verbauungen, rissen Uferpartien weg und überschwemmten Keller. Die Hochwasser respektive die in der Folge erkannten Schutzdefizite waren der Auslöser für das Schutzprojekt, wobei der Hochwasserschutz mit einer Wiederbelebung des Gewässerraums und einer Aufwertung der Flusslandschaft für Tiere, Pflanzen und Menschen gemäss den geltenden gesetzlichen Vorgaben einherzugehen hat.

Mehr Platz
Die Hauptmassnahme: Wo immer möglich, soll dem im 19. Jahrhundert kanalisierten Fluss wieder mehr Platz gegeben werden. Früher habe man die Flüsse zur Landgewinnung und zur vermeintlichen Verbesserung des Hochwasserschutzes kanalisiert – heute wisse man, dass diese Überzeugung verkehrt war, erklärt Projektleiter André Dällenbach. Weil immer grössere Wassermengen immer schneller über die Sohle rauschen, trägt die Emme immer mehr Boden ab, was die Erosion der Uferbereiche fördert. Die Folge: Der Hochwasserschutz nimmt ab und der Fluss gerät immer mehr aus dem ökologischen Gleichgewicht. Die sich stetig absenkende Flusssohle wirkt sich nicht zuletzt auch negativ auf den Grundwasserstand aus.
Mit der Verbreiterung des Gerinnes soll die Abflusskapazität erhöht werden. «Schafft man der Emme mehr Bewegungsfreiheit, fliesst sie in Wellenformen durch die Landschaft. Bleibt sie in ihrem Bett eingeschränkt, holt sie sich den Platz in Form von Überschwemmungen selbst», erläutert André Dällenbach weiter. «Eigendynamisch» nennt sich das in der Fachsprache. Dort, wo es möglich ist, wird das Flussbett auf bis zu 60 Meter Breite verdoppelt. Deshalb die Rodungen. Die neuen Uferränder werden mit Granitblöcken und Längsverbauungen verfestigt, danach wieder zugeschüttet und aufgeforstet. Der Emme kann so zumindest ein Teil ihrer früheren Dynamik zurückgegeben werden. Der Fluss trägt den ausgehobenen Sand und den Kies später selber ab und bahnt sich dann seinen  Weg durch die frei gewordene Fläche – eben «eigendynamisch», indem die natürlichen Kräfte der Emme für den Hochwasserschutz genutzt werden.

Ökologische Aufwertung
Das macht auch ökologisch Sinn. Kommt es wegen des Wasserlaufs zu Uferabbrüchen, entstehen dort wertvolle Nistplätze für Vögel, beispielsweise für den Eisvogel. Der sich stetig ändernde Flusslauf schafft zudem Nischen und Plätze für andere seltene Tiere. Verbesserungen resultieren auch für die Fische. Es gibt wieder verschiedene Lebensräume und Strömungen und die einst zur Stabilisierung der Flusssohle gebaute Schwelle wird abgebrochen. Diese wurde aufgrund der fortschreitenden Bodenerosion immer höher und damit für die Fische zu einem unüberwindbaren Hindernis.
Ebenfalls wird die Entwicklung eines Auenwaldes gefördert. Im Projektperimeter sind an zwei Standorten Still­gewässer geplant. Tümpel, Weiher und zeitweise überflutete Flächen sind für eine Aue besonders wertvolle Lebensräume, die heute entlang der Emme vielerorts fehlen. Schliesslich wird die Einmündung des Grundbachs in die Emme auf der Seite Utzenstorf verschoben. Dieser für die Fischerei wertvolle Bach erhält dadurch neue Gerinnestrukturen, was die Bedingungen für Fische und andere Lebewesen weiter optimiert.

Knapp fünf Millionen Franken
Die Kosten für den Abschnitt «Objekt 05» belaufen sich auf 4,88 Millionen Franken. Das Projekt wird mit Beiträgen von Bund und Kanton sowie aus dem Renaturierungsfonds, dem BKW-Ökofonds und dem Präventionsfonds der Versicherung Die Mobiliar mitfinanziert. Die Restfinanzierung geht zulasten der acht Verbandsgemeinden des Schwellenverbands Emme I. Sektion.
Ob und wie die Massnahmen nützen, wird die Zukunft zeigen. Denn zur Eigendynamik gehört auch, dass einzelne Massnahmen längere Zeit benötigen, bis sie wirken. Das sei nicht zuletzt auch wetterabhängig und es komme darauf an, wie sich Wetter und Klima entwickeln, so Projektleiter André Dällenbach. «Die Emme ist letztlich ein Wildbach, der macht, was er will.» Nicht alle Gefahren könnten gebannt werden – ein Restrisiko bleibe immer; irgendwann würden die Schutzmassnahmen unverhältnismässig und auch unbezahlbar, erläutert Dällenbach weiter.

Positive Signale
Um zu prüfen, ob die angestrebten Schutz- und ökologischen Ziele erreicht werden, sind Wirkungskontrollen im Nachgang wichtig. Solche sind auch an der Emme geplant. Auch ohne systematische Kontrollen – die Signale aufgrund der im Kanton Solothurn bereits realisierten Hochwasserschutz- und Revitalisierungsprojekte am Unterlauf der Emme zwischen der Kantonsgrenze Bern-Solothurn und der Mündung in die Aare stimmen jedenfalls positiv. So hat sich der Hochwasserschutz bei intensiven Regenereignissen schon mehrfach bewährt; auch kehren immer mehr seltene Tierarten in ihre ursprünglichen Lebensräume zurück.
Fazit: Ökologisch orientierter Hochwasserschutz lohnt sich. Die Aufwertung des Lebensraums Emme führt gleichzeitig auch zu einer Erhöhung der Sicherheit für die Bevölkerung.

Text und Bilder: zvg


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