Moderne Technologien in der Chirurgie
29.05.2025 Burgdorf, Gesellschaft, RegionLaserbehandlungen werden eingesetzt, um Erkrankungen minimalinvasiv und schmerzarm zu behandeln, die ICG-Technologie (Indocyaningrün) hilft, während einer Operation die Durchblutung von Organen besser sichtbar zu machen, die 3D-Laparoskopie ermöglicht eine verbesserte räumliche Darstellung in der Schlüssellochchirurgie, was komplexe Operationen erleichtert und die Sicherheit erhöht. Moderne Technologien revolutionieren die Chirurgie immer wieder und ermöglichen präzisere Eingriffe. Ausserdem helfen neue Technologien dabei, komplexe Bauchwandbrüche besser behandeln zu können. Im Vortrag erklären Dr. med. Matthias Schneider, Chefarzt und Departementsleiter der Chirurgischen Klinik des Spitals Emmental, und Dr. med. André Gehrz, stv. Chefarzt und ärztlicher Leiter, diese neuen Technologien und zeigen auf, wie Operationen so sicherer werden.
«D’REGION»: Welche technologischen Entwicklungen haben Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren den grössten Einfluss auf die Chirurgie gehabt?
Matthias Schneider: Während Technologien wie künstliche Intelligenz (KI), Augmented oder Virtual Reality (AR & VR) und personalisierte Medizin auf genetischer Basis das Potenzial haben, die Medizin in der Zukunft grundlegend zu verändern, sind sie im klinischen Alltag noch nicht weit verbreitet. Derzeit dominieren bewährte Innovationen wie minimalinvasive Chirurgie, robotergestützte Systeme, moderne Arbeitsinstrumente und verbesserte bildgebende Verfahren den operativen Bereich. Diese Techniken haben bereits dazu beigetragen, die Präzision, Sicherheit, aber auch Erholungszeit der Patientinnen und Patienten zu verbessern.
«D’REGION»: Wie genau unterstützen diese Technologien die Chirurginnen und Chirurgen bei komplexen Eingriffen am Spital Emmental?
André Gehrz: Indocyaningrün (ICG) wird während der OP intravenös verabreicht und verbessert die Gefässvisualisierung, indem es die Durchblutung und den Lymphabfluss in Echtzeit sichtbar macht – das kann entscheidend sein für das Ausmass der Entfernung von Tumoren und der Vitalität von Anastomosen z. B. beim Dickdarm. Die 3D-Darstellung in der Laparoskopie bietet eine räumlich präzisere Sicht, erleichtert komplexe Präparationen und reduziert Fehler.
In der Proktologie (Erkrankungen des Afters) ermöglichen moderne Laserverfahren eine gewebeschonende Therapie von Fisteln und Hämorrhoiden mit geringeren Schmerzen und kürzeren Heilungszeiten, Gleiches gilt für sogenannte Steissbeinfisteln.
Moderne Arbeitsgeräte wie Fasciotens helfen, grosse Bauchwandbrüche spannungsfrei zu verschliessen, indem sie Faszien schonend mobilisieren und so der Verschluss einfacher und mit weniger Komplikationen erfolgt.
«D’REGION»: Welche Vorteile für die Patientensicherheit haben all diese neuen Technologien?
Matthias Schneider: Moderne Technologien tragen erheblich zur Patientensicherheit bei, indem sie die Präzision chirurgischer Eingriffe verbessern und Komplikationen reduzieren. ICG-Fluoreszenz ermöglicht eine optimale Gefässbeurteilung, wodurch das Risiko für Anastomoseninsuffizienzen (Undichtigkeiten neuer Verbindungen von Darmabschnitten) oder Minderdurchblutung minimiert wird. Die 3D-Darstellung in der Laparoskopie verbessert die Tiefenwahrnehmung und erleichtert komplexe Präparationen, wodurch intraoperative Verletzungen seltener auftreten. Laserverfahren in der Proktologie reduzieren das Trauma für das umliegende Gewebe, was zu weniger postoperativen Schmerzen, geringeren Infektionsraten und einer schnelleren Heilung führt. Fasciotens erleichtert den spannungsfreien Bauchdeckenverschluss, was das Risiko für Nahtdehiszenzen (Auseinanderweichen von Wundrändern nach der operativen Versorgung) und Infektionen verringert.
«D’REGION»: Welche Vorteile bietet der Einsatz von Lasertechnologien, insbesondere bei Eingriffen am After (Proktologie)?
André Gehrz: Durch den Einsatz eines Lasers kann man bei bestimmten Erkrankungen sehr minimalinvasiv arbeiten. Statt grösserer Schnitte können z. B. Hämorrhoiden mit einem 3-Millimeter-Schnitt erfolgreich behandelt werden: dies reduziert die Schmerzen und auch die Zeit, bis Patientinnen und Patienten wieder im (Arbeits-)Alltag voll einsatzbereit sind.
Auch bei Analfisteln hat man den Vorteil, dass bei bestimmten Verläufen, die einen grossen Teil des Schliessmuskels betreffen, minimalinvasiv gearbeitet werden kann und der Schliessmuskel weniger gefährdet wird.
Steissbeinfisteln müssen normalerweise grossflächig ausgeschnitten werden, mittels Laser kann eine Behandlung bei geeigneten Fisteln durch 5 Millimeter grosse Öffnungen erfolgen – was zu weniger Schmerzen und schnellerer Rekonvaleszenz führt.
«D’REGION»: Gibt es auch Herausforderungen oder Grenzen bei der Einführung dieser innovativen Technologien in den chirurgischen Alltag?
André Gehrz: Die moderne Chirurgie ist ungefähr 150 Jahre alt und schon immer gab es Innovationen und neue Techniken, von denen viele nach einer kurzen Phase wieder verschwunden sind, währenddessen andere die klassischen Techniken sogar ersetzt haben oder schlussendlich zum Goldstandard geworden sind. Bei neuen Entwicklungen muss man immer im Auge behalten, ob diese wirklich den klassischen Methoden überlegen sind, und wenn ja, wie man diese sinnvoll einsetzen kann. Denn eine moderne Technik ist immer nur so gut wie der Chirurg oder die Chirurgin, der oder die sie einsetzt. Hinzu kommt, dass wir als Operateure idealerweise beide – also bewährte und moderne Techniken – beherrschen, um auf jede Situation individuell eingehen zu können und immer einen Plan B in der Tasche zu haben.
«D’REGION»: Was möchten Sie dem Publikum in Ihrem Vortrag über die Zukunft der Chirurgie und die Rolle moderner Technologien mitgeben?
Matthias Schneider: Die Chirurgie ist ein äusserst präzises Handwerk, welches sich stetig weiterentwickelt. Jeder Patient, jede Patientin benötigt eine individuelle Behandlungsstrategie, welche aus bewährten klassischen Methoden bestehen kann oder bei der moderne Entwicklungen die klassische Technik unterstützen oder diese sogar ablösen. Es gibt keine allumfassende Wunderwaffe für alles, aber moderne Technologien in den richtigen Händen können Operationen sicherer machen, die Schmerzen nach einer Operation vermindern, die Erholungszeit für unsere Patientinnen und Patienten verkürzen und insgesamt die Sicherheit erhöhen.
zvg
Vortrag in Burgdorf: Donnerstag, 5. Juni 2025, 19.00 Uhr (Kurslokal Spital Emmental, Oberburgstrasse 54, EG).