Stadtklimainitiative im Fokus
24.09.2025 Politik, Burgdorf, Politik, Gesellschaft, AktuellStadtratspräsident Philipp Schärf zählte an der Septembersitzung 39 Mitglieder des Stadtrats (SR). Speziell begrüsste er Marcel Suter als neuen Stadtrat der Mitte, der das Amt des Stimmenzählers im Stadtratsbüro von seiner Vorgängerin Carmen Baumeler-Stoll übernommen hat.
Initiative für ein Stadtklima mit Zukunft
Am 31. Oktober 2024 wurde die Stadtklimainitiative eingereicht. Diese verlangt, dass die Stadt die Bevölkerung vor negativen Auswirkungen der Klimaerwärmung schützt. Dazu gehören Hitzetage, Tropennächte und Starkniederschläge. Aus diesem Grund soll die Anzahl der Bäume erhöht und es sollen zusätzlich artenreiche Grünflächen geschaffen werden. Konkret verlangt die Initiative die Umwandlung von versiegelten Arealen in Grünflächen und die Erhaltung der Zonen für Fussgänger/innen und den Veloverkehr.
Mit der Einreichung der Initiative erhält der Gemeinderat (GR) Rückhalt durch die Bevölkerung für Klimaanpassungen. Stadtpräsident Stefan Berger betonte, dass die Stadt schon heute Begrünungen bei Infrastruktur- und Bauprojekten plant und verlangt, dass Niederschlagswasser versickert und somit nicht die Kanalisation belastet. Diese Grundsätze sind heute bekannt und fliessen in neue Planungen ein.
Um die Umsetzbarkeit der Forderungen der Stadtklimainitiative konkret einschätzen zu können, mussten die potenziellen Entsiegelungsflächen auf dem städtischen Grundeigentum eruiert werden. Als erste Stadt der Schweiz hat Burgdorf diese mithilfe von hochaufgelösten Orthofotografien, 3D-Mapping und künstlicher Intelligenz ermittelt. Die Stadt besitzt rund 40 000 m² Fläche mit Entsiegelungspotenzial.
Der Gemeinderat formulierte darum einen Gegenvorschlag zur Initiative. Der wesentliche Unterschied: Er setzt nicht auf einen prozentualen Richtwert, sondern auf eine konkrete Zielvorgabe. Über einen Zeitraum von zwölf Jahren sollen auf dem Stadtgebiet 21 000 m² Fläche entsiegelt werden, was ungefähr den geforderten 0,5 Prozent pro Jahr entspricht. Das gibt Spielraum, um Verzögerungen bei Projekten, etwa durch Baubewilligungen oder Kreditverfahren, aufzufangen. Der Gegenvorschlag, so Berger, sei somit genauer, realistischer und rechtlich klarer.
Gegenvorschlag und Änderungsanträge
Diesem Gegenvorschlag wollte der GR zusätzlich folgende Ergänzungen beifügen: Die Stadt erhöht die Anzahl Bäume im Siedlungsgebiet und sichert die Pflege bestehender Bäume. Sie fordert beim Kanton die Umsetzung von Entsiegelungen der Kantonsstrassen und sensibilisiert private Grundeigentümer für die Bedeutung der Entsiegelung. Weiter fördert sie den Einsatz von Wasserelementen wie Brunnen und Trinkwasserstellen.
SR Christian Hedinger (GRÜNE) berichtete, dass bereits bei der Stimmensammlung deutlich geworden sei, dass das Anliegen auf grosse Resonanz stosse. Die Stadtklimainitiative bewegt also nicht nur die Gemüter im Stadtrat. Viele Bürger/innen, die sich dafür einsetzen, unterstrichen ihr Engagement mit ihrer Anwesenheit an der SR-Sitzung. Die Mitte- sowie die SVP/EDU-Fraktion haben Abänderungsanträge eingereicht, die intensiv diskutiert wurden.
Jürg Kämpf (FDP) äusserte eine andere Sicht auf das Stadtklima. Die Initiative suggeriere, dass die Stadt verantwortlich sei für den Schutz der Bevölkerung vor Hitzetagen, doch das liege auch in der Verantwortung jeder Einzelperson. Er sprach von reisserischem Alarmismus der Medien, welcher der Bevölkerung Angst einjage. Diese Angst schade der Gesundheit mehr als der bisherige Klimawandel, ist er überzeugt. Die Initiative sorge für unnötige, zusätzliche Reglementarien. Zudem habe der GR dargelegt, dass die Stadt schon heute den Anliegen der Initiative die notwendige Aufmerksamkeit schenke, was die FDP unterstütze. Roger Aebi (Die Mitte) ist überzeugt, dass die Initiative keine grossen Veränderungen bringe. Sie mache aus einer Mücke einen Elefanten. Darum hat die Die Mitte-Fraktion einen Abänderungsantrag mit einer allgemeineren Formulierung des Initiativzwecks gestellt. Auch die SVP hat einen Abänderungsantrag formuliert und Jonas Von Allmen (SVP) hat einen Einzelantrag betreffend Umsetzung der Initiative gestellt.
Für die EVP zeigte sich Esther Liechti-Lanz erfreut über das Interesse aller Fraktionen. Die Initiative investiere ins Wohlbefinden der Bevölkerung. Auch die SP-Fraktion unterstützt die Initiative. Zum Schluss erklärte Christian Hedinger (GRÜNE), Burgdorf mache beim Agglomerationsprogramm mit, das vom Bund mit Subventionen unterstützt werde. Bei Annahme der Initiative dürfe mit höheren Subventionen gerechnet werden. Pascal Hebeisen möchte all jene einladen, welche die Klimaerwärmung verniedlichen, nächsten Sommer eine Woche bei über 30 Grad mit ihm auf der Baustelle zu arbeiten.
Nach diesen Ausführungen bewilligte der SR-Präsident eine Pause, damit die Fraktionen Zeit für interne Diskussionen hatten. Darauf folgten Abstimmungen über die verschiedenen Änderungsanträge. Ein Antrag der Partei Die Mitte sowie der Einzelantrag von Jonas von Allmen (SVP) und der Grossteil des Gegenvorschlags führten schlussendlich zu einem konsolidierten Gegenvorschlag.
Die bereinigte Version wurde einstimmig genehmigt. Diese unterliegt dem fakultativen Referendum.
Ausbau Sportinfrastruktur in Burgdorf
Gemeinsam reichten die Fraktionen SVP/EDU, SP, Die Mitte, FDP, GLP und EVP sowie Jonas Lauwiner einen Auftrag betreffend Ausbau der Sportinfrastruktur in Burgdorf ein. Das Wachstum der Bevölkerung um 12 Prozent seit dem Jahr 2010 führte zu einer signifikant erhöhten Nachfrage nach Hallensportmöglichkeiten sowohl von Schulen als auch von Sportvereinen. Im Rahmen der Schulraumplanung wurde festgestellt, dass auf den meisten Schularealen ein Ausbau des Turnraums möglich und notwendig ist. Mehrere bestehende Hallen seien zudem sanierungsbedürftig.
Die Bedeutung des Breitensports hat auch beim GR einen hohen Stellenwert. Der Gesamtterminplan sehe den Ausbau der Turnhallenräume vor. Die Dreifachturnhallen Lindenfeld und Pestalozzi sollen saniert werden. Zusätzlich soll mindestens eine neue Dreifachturnhalle im Gsteighof und entweder eine Zweifach- oder eine Dreifachturnhalle in der Schlossmatt entstehen. In enger Absprache mit der Bildungsdirektion und der Sportkommission wird der Raumbedarf ermittelt. Im Gesamtterminplan der Schulraumentwicklung sind auch Sanierungen verschiedener Turnhallen enthalten.
GR Michael Ritter (GLP) erklärte, dass die Sportinfrastruktur in engem Zusammenhang stehe mit der Schulraumentwicklung. Die SP stehe hinter einer funktionierenden Schulraumstruktur, schätze aber auch den positiven Nebeneffekt für den Breitensport, so Fabian Käsermann. Wichtig sei zudem der Unterhalt der Hallen. Käsermann machte auf ein weiteres Anliegen aufmerksam, das nicht im Auftrag enthalten sei. Er schlug die Wiedereinführung eines digitalen Raumreservationstools für flexibles Buchen vor, damit die Hallen besser genutzt werden können.
Der Auftrag betreffend Ausbau der Sportinfrastruktur wurde einstimmig angenommen.
Planung ökologische Infrastruktur
«Der GR wird beauftragt, die kantonale Planung der ökologischen Infrastruktur auf dem Gemeindegebiet anzuwenden, stufengerecht zu ergänzen und für die Stadtentwicklung zu nutzen», so der Wortlaut eines Auftrags der Grünen Partei Burgdorf.
Der GR erwartet die Fachplanung «ökologische Infrastruktur» des Kantons mit Interesse. Noch ist nicht bekannt, was diese Planung beinhaltet, doch der GR sieht es als Chance, die ökologische Infrastruktur zu schützen und zu entwickeln.
Die Reaktionen auf diesen Auftrag fielen unterschiedlich aus. Während Barbara Lüthi-Kohler (SVP) und Claudia Fankhauser (FDP) zuerst wissen möchten, was die kantonale Planung enthält, bevor sie ihr zustimmen, fand Ulrich von Känel (GLP) diesen Auftrag überflüssig, weil sich der GR seit der Ausrufung des Klimanotstands auf der ökologischen Schiene bewege. Pascal Hebeisen (SP) regte an, neben der Pflanzung von einheimischen Bäumen Überlegungen betreffend dem Anbau von sogenannten Klimabäumen zu machen. Aufgrund der Voten von SVP und FDP entschied die EVP Stimmfreigabe. Der Auftrag wurde mit 21 Ja- und 16 Nein-Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen.
Einbindung Jugendlicher in die Politik
Die Fraktion der GRÜNEN und der SP sowie die EVP beauftragten den GR, ein Jugendparlament für die Stadt Burgdorf zu planen und aufzubauen. Sie wollen damit die Partizipationsmöglichkeiten dieser wichtigen Bevölkerungsgruppe fördern und ihre Bedürfnisse ernst nehmen.
GR Michael Ritter (GLP) erklärte, dass ein Partizipationsrecht der Jugendlichen aufgrund des fehlenden Stimm- und Wahlrechts nicht gegeben sei. Sie hätten jedoch die Möglichkeit, Jugendanträge zu stellen. Er ist der Ansicht, dass die konkrete Form eines zukünftigen Beteiligungsmodells gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen entwickelt werden muss. Denn nur so könne sichergestellt werden, dass die gewählte Form mitgetragen werde. Darum schlug der GR einen geänderten Wortlaut vor, der formuliert, dass die politische Beteiligung der jungen Generation auf städtischer Ebene künftig verbindlich ausgestaltet, strukturell eingebettet und umgesetzt wird.
Die jüngste Stadträtin, die 25-jährige Beryll Veraguth (EVP) ist überzeugt, dass junge Menschen in Gremien untervertreten sind. Für die vom GR vorgeschlagene Wortlautänderung ist die EVP offen. Tanja Blume (SP) wies auf das Jugendforum Emmental hin. Dieses setzt sich für die Anliegen der Jugendlichen ein und fördert die politische Bildung. Die Mitglieder stehen als Ansprechpersonen für jugendpolitische Fragen zur Verfügung.
Der Auftrag wurde mit abgeändertem Wortlaut an den Gemeinderat überwiesen.
Postleitzahl fürs Südquartier
Die EVP, GRÜNE, SVP/EDU, GLP, Die Mitte und Jonas Lauwiner gelangten mit einer Motion betreffend Anpassung der Postleitzahl (PLZ) des Südquartiers Burgdorf an den GR. Tatsache ist, dass Bewohnende des Südquartiers ihr Postgut unter der PLZ 3414 Oberburg erhalten. Die Motionär/innen wollen deren Adresse auf die PLZ 3400 Burgdorf ändern.
Stadtpräsident Stefan Berger wies darauf hin, dass diese Thematik bereits in den Jahren 2009 bis 2011 Anlass zu Diskussionen gab. Dieses Anliegen sei jedoch nicht verhältnismässig. Mit einer Anpassung der PLZ hätte Burgdorf beispielsweise zwei Bahnhofstrassen und allfällige Änderungen würden nicht von der Schweizerischen Post finanziert. Zusätzlich zieht ein PLZ-Wechsel aufwendige administrative Anpassungen für Verwaltungen, Firmen und Privatpersonen nach sich.
Ein Wechsel sei längst überfällig und nötig, erklärte Esther Liechti-Lanz (EVP). Seit der Schliessung der Poststelle Oberburg würden Briefe inklusive zusätzliche Printmedien von Hasle aus verteilt, Pakete kämen aus Burgdorf. Im Telefonbuch seien Einwohner/innen des Südquartiers unter Burgdorf zu finden, obwohl ihre PLZ die von Oberburg sei. Das führe zu Verwirrungen, beispielsweise bei Bankgeschäften. Auch Claudia Fankhauser (FDP) unterstützt den Wechsel der PLZ, weil er seit 15 Jahren ein Anliegen der Bevölkerung sei. Jonas Lauwiner misst der Zahl weniger Bedeutung bei als den Ortsnamen Burgdorf oder Oberburg. Bewohnende des Südquartiers wollen mehrheitlich als Burgdorfer/innen wahrgenommen werden.
Mit 22 Ja-, 14 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen unterstützte der SR die Ablehnung der Motion.
Gemeinschaftsgrab für Erdbestattungen
Die EVP reichte ein Postulat betreffend eines Gemeinschaftsgrabs für Erdbestattungen ein. Begründet wurde dieses mit persönlichen, religiösen und/oder energetischen Überlegungen.
Erdbestattungen im Reihengrab sind für alle Religionen möglich. Bei einem Gemeinschaftsgrab müsste kein Grabstein gesetzt werden, was in Burgdorf auch bei einem Reihengrab nicht zwingend ist. Aus energetischer Sicht bietet das Gemeinschaftsgrab keine Vorteile, denn die Grababstände wären identisch. Auch die Kosten für die Beisetzung wären dieselben. Wie langjährige Erfahrungen zeigen, gehen die Erdbestattungen generell zurück. Im Jahr 2024 gab es bei 187 Todesfällen lediglich vier Erdbestattungen. Das zeigt, dass die Nachfrage nach einem Gemeinschaftsgrab für Erdbestattungen klein wäre. Zusätzlich würde vorübergehend wertvolle Biodiversitätsfläche verloren gehen, wie GR Francesco Rappa (Die Mitte) erläuterte.
Beryll Veraguth (EVP) erklärte, dass die EVP Gespräche mit verschiedenen Menschen geführt habe, die die Erdbestattung einer Urnenbeisetzung vorzögen. Weil sie ihre Nachkommen aber nicht mit der Grabpflege belasten wollten, entschieden sie sich gezwungenermassen für eine Kremation.
Das Postulat wurde mit 38 Ja-Stimmen und einer Enthaltung angenommen und gleichzeitig abgeschrieben.
Ergebnisprüfung durch die Geschäftsprüfungskommission (GPK)
Jährlich überprüft die GPK die wirkungsorientierte Steuerung der Stadtverwaltung und fasst die Ergebnisse in einem Bericht zusammen. Zentrale Anliegen sind unter anderem direktionsübergreifende, prozessorientiere Denkweisen, die Zusammenarbeit innerhalb der gesamten Stadtverwaltung sowie die Erarbeitung eines Controllingkonzepts für jede Produktegruppe. Yves Greisler, Präsident der GPK, erklärte, dass in einigen Bereichen Nachholbedarf bestehe. Die Umsetzung sei auf oberster Stufe anzugehen.
Text und Bild: Helen Käser