Zwölf Jahre, acht Gemeinden, ein Gemeinderatspräsident

  24.12.2025 Fraubrunnen, Fraubrunnen, Aktuell, Politik

Noch bis Ende 2025 amtiert Urs Schär als Gemeinderatspräsident von Fraubrunnen. Die Amtszeit des hauptberuflichen Landwirts begann im Jahr 2013 nach der Fusion der acht Gemeinden Büren zum Hof, Etzelkofen, Fraubrunnen, Grafenried, Limpach, Mülchi, Schalunen und Zauggenried zur neuen Fusionsgemeinde Fraubrunnen. In den zwölf Jahren, in denen er der Gemeinde vorstand, hat sich in Fraubrunnen viel getan. Nebst der Fusion waren die Orts- und die Schulraumplanung wichtige Themen.
Im Interview mit der Zeitung «D’REGION» spricht Urs Schär über seine Zeit im Amt und wie er die damals grösste Gemeindefusion im Kanton Bern erlebte und umsetzte.

«D’REGION»: Herr Schär, per Ende 2025 verabschieden Sie sich als Gemeinderatspräsident von Fraubrunnen. Wie sehen Sie diesem Abschied entgegen?
Urs Schär: Für mich «stimmts eso». Es war eine gute Zeit. Ich lernte vieles, vertiefte mich in komplexe Zusammenhänge und begegnete zahlreichen Menschen. Am meisten wird mir der tägliche Kontakt zu den Angestellten der Gemeindeverwaltung fehlen. Mit ihnen arbeitete ich zwölf Jahre lang eng zusammen.
Ich freue mich nun darauf, wieder mehr Freizeit zu haben. Oft musste ich am Abend nachholen, was tagsüber wegen Sitzungen und anderer Verpflichtungen liegen geblieben war.

«D’REGION»: Die Stimmbevölkerung von Fraubrunnen lehnte im Dezember 2024 eine Aufhebung der Amtszeitbeschränkung ab. Hätten Sie, wenn die Abstimmung anders ausgegangen wäre, nochmals als Gemeinderatspräsident kandidiert?
Urs Schär: Ich weiss es ehrlich gesagt nicht. Für kleine Dörfer wäre eine Abschaffung der Amtszeitbeschränkung meiner Ansicht nach von Vorteil, da sich oftmals nur wenige für ein Amt interessieren. Wenn jemand gewillt ist, Verantwortung zu übernehmen, dann soll sich diese Person auch engagieren dürfen. Die Bevölkerung kann jene, die im Amt sind, immer noch abwählen. Bei jedem Amtswechsel geht etwas verloren. Der Wissenstransfer ist schwierig und man kann unmöglich alles weitergeben. Als Gemeinderatspräsident benötigt man ein gutes Netzwerk. Dieses aufzubauen erfordert viel Aufwand. Es ist eng an die jeweilige Person gebunden. Nun endet meine Zeit als Exekutivmitglied … die Diskussion über Vor- und Nachteile einer Amtszeitbeschränkung obliegt anderen.

«D’REGION»: War es für Sie schwierig, Ihren Beruf als Landwirt mit dem Amt zu vereinbaren?
Urs Schär: Für mich funktionierte das recht gut, vor allem, weil ich selbstständig bin. Ich konnte mir die Zeit für Sitzungen und Termine jeweils freischaufeln. Die Arbeit auf dem Landwirtschaftsbetrieb musste natürlich trotzdem erledigt werden, was ich dann jeweils am Abend nachholte. Alles in allem ergaben meine Arbeitsstunden sicherlich mehr als ein Vollzeitpensum. Ich engagiere mich mit Herzblut für die Politik und arbeite auch gerne auf dem Hof, deshalb stellte der grosse Aufwand für mich kein Problem dar.

«D’REGION»: Auf welche Erfolge und Höhepunkte der vergangenen zwölf Jahre blicken Sie gerne zurück?
Urs Schär: Da gibt es viele. Der Aufbau der heutigen Verwaltung war sicherlich eine herausfordernde Aufgabe, die erfolgreich umgesetzt wurde. Wir mussten acht Verwaltungen vollständig auflösen und neu an drei Standorten konzentrieren. Acht verschiedene Systeme trafen aufeinander – samt den Menschen, die damit gearbeitet hatten. Manchmal ergaben sich dadurch auch Vorteile, wenn klar wurde, dass sich gewisse Arbeitsweisen auch für die fusionierte Gemeinde als effizient erweisen. Die Umstrukturierung musste rasch umgesetzt werden. Wir hatten das grosse Glück, auf engagierte Mitarbeitende zählen zu können, und verfügen über ein ausgezeichnetes Team. Die Verwaltungsangestellten sind als Fachleute wichtige Stützen für die politischen Behörden, ohne sie käme die Gemeinde nicht voran.
Stolz bin ich auch auf das gute Verhältnis innerhalb des Gemeinderats. In der ersten Legislaturperiode nach der Fusion bestand die Exekutive aus elf Personen. Einen Rat mit so vielen Mitgliedern zu führen, war nicht einfach. Die ersten eineinhalb Jahre waren eine Findungsphase. Man darf nicht vergessen: Im Rat sassen ehemalige Gemeindepräsidenten. Die neue Ausgangslage erwies sich für alle als grosse Umstellung.
Zu den Höhepunkten in meiner Amtszeit gehören auch Erfolge wie die Sanierung der Badi Fraubrunnen, die Mitwirkung bei der Sanierung des Schwimmbads in Messen, die Erweiterung der Tagesschule, der neu gebaute Kindergarten und die Fortschritte in der Schulraumplanung, die aber noch nicht abgeschlossen ist.
Ein besonderes Highlight stellte die 10-Jahr-Feier der fusionierten Gemeinde Fraubrunnen dar, bei der alle Dörfer mitmachten. Das Fest erwies sich als toller Erfolg und zeigt, dass die Dörfer seit der Fusion zusammengewachsen sind.

«D’REGION»: Gab es in Ihrer Amtszeit auch negative Erfahrungen oder Situationen, von welchen Sie sich wünschten, sie hätten sich anders abgespielt?
Urs Schär: Vor allem die Verzögerungen in der Ortsplanung sind frus­trierend, ja eigentlich unbegreiflich. Der Kanton legte kleineren Gemeinden Fusionen zur Ressourcenbündelung nahe. Wir realisierten die Fusion mit der grössten Anzahl Dörfer im Kanton. Und dennoch müssen wir nach wie vor mit acht beziehungsweise neun unterschiedlichen Baureglementen arbeiten, wodurch die Bewilligung von Bauvorhaben sehr herausfordernd wird. Das neue Ortsplanungsreglement ist noch immer beim Amt für Gemeinden und Raum­ordnung (AGR) des Kantons Bern pendent – diese Verzögerung kann ich nicht nachvollziehen. Ich würde mir wünschen, dass der Kanton nun endlich vorwärtsmacht. Zwölf Jahre nach der Fusion ist es für die Bürgerinnen und Bürger frustrierend, dass noch immer nicht für alle in der Gemeinde dieselben Regeln gelten.
Als bedauernswert erachte ich zudem, dass der Urtenenbachverband nicht realisiert werden konnte. Auch andere Bemühungen verliefen im Sand. Niederlagen gehören zur Politik.

«D’REGION»: Wieso kam die Fusion der acht Dörfer damals überhaupt zur Sprache?
Urs Schär: Die Gemeindepräsidenten der acht ehemaligen Gemeinden standen schon immer in einem regen Austausch miteinander. Es existierten verschiedene Gemeindeverbände, etwa für die Schulen oder die Feuerwehr. Die Dörfer spannten seit Langem zusammen, um die immer kom­plexer werdenden Aufgaben zu bewältigen. Irgendwo mussten Einsparungen vorgenommen werden. Wir klärten verschiedene Varianten ab und diskutierten beispielsweise auch über ein gemeinsames Verwaltungszentrum. Am Ende zeigte sich, dass eine Fusion die sinnvollste Lösung war.

«D’REGION»: Was macht für Sie die Gemeinde Fraubrunnen aus?
Urs Schär: Die Grösse der Gemeinde wirkt sich auf die Wahrnehmung in der Region aus. Mit zunehmender Grösse steigen auch die Einflussmöglichkeiten. Schön finde ich, dass in Fraubrunnen – trotz der Grösse infolge der Fusion – der «Dörfligeist» weiterlebt. Die Menschen haben die Eigenarten und Traditionen ihrer ursprünglichen Dörfer beibehalten. An der Gemeindeversammlung erkennt man oft, wer aus welchem Gemeindeteil kommt. Das Dorfleben wird aktiv gepflegt und es existiert ein dynamisches Vereins­leben. Es ist ähnlich wie in einer Stadt mit verschiedenen Quartieren: Jedes hat seinen eigenen Charakter.

«D’REGION»: Haben Sie einen Lieblingsort in der Gemeinde Fraubrunnen?
Urs Schär: Das werde ich oft gefragt. Es gibt viele schöne Orte. Wenn ich ins Moos hinunterfahre, steht unten am Bach ein Bänkli. Von dort sieht man an schönen Abenden die ganze Alpenkette. Der Alpenzeiger in Büren zum Hof ist ebenfalls ein sehr schöner Ort. Zwischen Mülchi und Etzelkofen gibt es einen Platz mit Blick über das gesamte Limpachtal. Wir haben viele schöne Ecken und sehr viel Weitsicht, sowohl auf die Alpen wie auch auf den Jura.

«D’REGION»: Sie bewegen sich ja seit geraumer Zeit in der Gemeinde­politik und waren vor der Fu­sion auch bereits Gemeindepräsident in Zauggenried. Hat sich die Kommunal­politik im Laufe der Jahre verändert?
Urs Schär: Ich bin insgesamt seit 28 Jahren in der Exekutive tätig, zuerst 16 Jahre in Zauggenried und dann 12 Jahre in Fraubrunnen. Die gröss­te Veränderung betrifft den Respekt gegenüber den Amtsträgerinnen und Amtsträgern, der etwas verloren gegangen ist. Heute wird man viel eher persönlich angegriffen und beleidigt.
Zudem muss heute alles bis ins Detail juristisch abgeklärt und rechtlich abgesichert werden, keiner will mehr Verantwortung übernehmen. Dies beginnt bereits bei Kanton und Bund. Es ist kein Spielraum mehr vorhanden für selbstständige Entscheide.

«D’REGION»: Um zwölf Jahre als Gemeinderatspräsident tätig zu sein, braucht es das Vertrauen der Bevölkerung. Wie haben Sie dieses gewonnen?
Urs Schär: Das ist schwierig einzuschätzen. Ich bin in Zauggenried aufgewachsen und kenne im gesamten Gemeindegebiet viele Bürgerinnen und Bürger persönlich. Wichtig ist, dass man präsent ist und sich zeigt, wenn Veranstaltungen stattfinden. Die Leute müssen sehen, wer sie vertritt.
Im Jahr 2017 wurde der Gemeinderat von elf auf sieben Mitglieder verkleinert. Trotzdem wurde ich mit einem guten Resultat wieder in die Exekutive gewählt. Dies zeigte, dass mir die Bevölkerung vertraut. Ich bin überzeugt: Wenn ich zu Beginn meiner ersten Legislaturperiode grosse Fehler begangen hätte, wäre ich nicht wiedergewählt worden.

«D’REGION»: Wo sehen Sie die gröss­ten Herausforderungen, welche auf Simon Keller, ihren Nachfolger als Gemeinderatspräsident von Fraubrunnen, zukommen?
Urs Schär: Die Zusammenarbeit im Gemeinderat stellt sicher eine Herausforderung dar. Mit gleich vier neuen Mitgliedern verändert sich die Dynamik. Es braucht seine Zeit, bis alle miteinander vertraut sind. Für eine gute Zusammenarbeit muss die Harmonie zwischen den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten stimmen. Ich bin aber überzeugt, dass schon bald alle an einem Strick ziehen werden.
Weiter stellen sicher die Finanzen eine Herausforderung dar, gerade im Zusammenhang mit der Schulraumplanung. Bei den Schulen werden grosse Kosten auf uns zukommen.
Als wichtig erachte ich auch, dass die Individualität der Dörfer erhalten bleibt. Diese macht schliesslich den Gemeindegeist von Fraubrunnen aus. Zudem hoffe ich, dass die Ortsplanung endlich abgeschlossen werden kann.

«D’REGION»: Wird Ihnen nicht lang­weilig ohne die Gemeindepolitik?
Urs Schär: Ich führe meinen Landwirtschaftsbetrieb sicher noch zwei Jahre. Danach sehe ich weiter. Zudem bin ich zusätzlich als Hagelexperte für die Schweizerische Hagelversicherung tätig. Langweilig wird mir also bestimmt nicht. Ich freue mich, nun etwas mehr Zeit für mein Privatleben zu haben und einiges nachholen zu können, auf das ich in der Vergangenheit aus zeitlichen Gründen verzichten musste.
 

Text und Bild: Rosie Schenk


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