Warum Grossreiche zu Fall kommen können
30.04.2025 Lyssach, Gesellschaft, Aktuell, Vereine, Region, Foto, Lyssach, KulturWir schreiben die Iden des März 476 nach Christus – den unheilvollen letzten Tag des einst ruhm- und glanzvollen Römischen Reiches. Die Germanen haben Pavia eingenommen – und sie rücken unerbittlich vor, ja, sie stehen quasi schon vor der Tür.
Doch Kaiser Romulus der Grosse hat ganz andere Sorgen: Der Finanzminister ist mit der – zwar leeren – Staatskasse geflohen und – noch schlimmer – nicht alle seine Hühner legen schön brav jeden Tag ein Frühstücksei. Finanztechnisch hilft sich der Kaiser, indem er die vorletzten Blätter seiner goldenen Lorbeerbekränzung in Münzen umtauschen lässt und die Büsten seiner politischen und kulturellen Vorväter zu Geld macht. Hühnertechnisch lässt er sämtliche legefaulen Hennen in Pouletbrüstchen, Schenkelsteaks und Hühnersuppe umarbeiten.
Weder die kaiserliche Familie und deren Entourage noch die Minister des Reichs verstehen die närrische Untätigkeit und Inkompetenz des Kaisers. Als Romulus sich schliesslich auch noch weigert, seine Tochter Rea mit dem Hosenfabrikanten Cäsar Rupf zu verheiraten und dadurch den drohenden Untergang des Römischen Reichs zu verhindern, kommen die Mächtigen des Reichs zum Entschluss, dass Romulus das Los seines berühmten Vorgängers Julius Cäsar teilen muss …
In ihrer neuesten Produktion hat die «Bühne» Lyssach mit «Romulus der Grosse» von Friedrich Dürrenmatt ein Stück gewählt, das auch nach 75 Jahren noch hochaktuell ist: Hierarchiegläubigkeit, egoistisch motivierte Machtansprüche, unhinterfragte Vorurteile und darauf aufbauende moralistische Haltungen und Handlungen.
Unter der Regie von Davina Siegenthaler Hugi haben die Mitglieder der «Bühne» den verschiedenen Figuren des Stücks auf eindrucksvolle Art Leben eingehaucht und liebevoll bis ins Detail stimmige Rollenporträts erarbeitet – so etwa Andreas Eberhard als zutiefst dem Menschen (und nicht der Machtposition) verbundener und in diesem Sinne handelnder Kaiser; Andrea Studer als gehorsame, in Loyalitätskonflikte geratende Kaiserstochter Rea; Theo Balmer als süffisant machtbewusster Hosenfabrikant; Moritz Eberhard als in germanische Gefangenschaft geratener Dichter Ämilian, der vom einst friedfertigen Mann zum glühenden Patrioten geworden ist und nun selbst seine Verlobung mit Rea aufzugeben bereit ist; Stephan Hottenberg als Germanenführer Odoaker, der so gar nicht dem entspricht, was man erwarten würde …
Zur gelungenen Aufführung trugen aber auch die bis auf unscheinbar scheinende Details wie Bordüren, Kordeln, Knöpfe, stimmige Kostüme (Eveline Rinaldi) und eine ausgezeichnete Maske (Ruth Hofstetter, Christa Eberhard, Andrea Gutwirth und Jolanda Grunder) bei. Und nicht zuletzt seien auch das eindrückliche Bühnenbild (Davina Siegenthaler Hugi, Umsetzung: Theo Balmer, Toni Salzmann, Kuno Jaeggi) und das die Figuren buchstäblich ins beste Licht setzende Beleuchtungskonzept (Thomas Pulfer) genannt.
Fazit: Ein gelungener Abend, der von vielen ganz starken, berührenden und erschütternden Momenten lebte – und mindestens ebenso viel über die Gegenwart zu sagen hat wie über längst vergangene Zeiten.
Andrea Flückiger
Aufführungsdaten und weitere Informationen unter www.buehne-lyssach.ch.