Wo regionales, qualitativ hochwertiges Mehl Tradition hat

  18.06.2025 , Gesellschaft, Fraubrunnen, Kultur

Ein Besuch in der Mühle Fraubrunnen zeigt eindrucksvoll auf, dass sich am alten Handwerk des Mühlens in all den Jahren grundsätzlich nichts geändert hat. Noch immer wird das Getreide gemahlen, wodurch das Korn auf­gespalten wird. Wo früher schwere Mühlensteine zum Einsatz kamen, verrichten heutzutage maschinelle Walzenstühle die Arbeit. Die Mühle Fraubrunnen verknüpft die alte Herangehensweise an das Handwerk mit neus­ten modernen Methoden wie kaum ein anderer Betrieb.

Eine lange Tradition
Nicht ganz 800 Jahre ist es her, seit die Mühle in Fraubrunnen in Chroniken des damaligen neuen Klosters, in unmittelbarer Nähe zur heutigen Mühle, erstmals Erwähnung fand. «Schon im Jahr 1246 wurde an diesem Standort in der Klostermühle Fraubrunnen Korn gemahlen», weiss Geschäftsleiter und Verwaltungsratspräsident Alexander Messer. Als im Zuge der Reformation das nebenan liegende Klos­ter geschlossen wurde, wechselten die Besitzer und Pächter der Mühle. Die ehemalige Kloster­mühle war lange Zeit im Besitz des Staates Bern, ehe die Vorfahren von Alexander Messer ins Spiel kamen: Am 23. Dezember 1840 erwarb Bendicht Messer die Mühle, womit diese erstmals in Privatbesitz kam und seitdem im Familienbesitz der Messers ist. Alexander Messer führt den Familienbetrieb in sechster Generation. «Die ehemalige Scheune und das ehemalige Wohnhaus befinden sich unter Denkmalschutz und erinnern noch an die Zeit, als mein Vorfahre die Mühle übernahm», erläutert Alexander Messer. Was früher eine Scheune war, wird jetzt als Lagerfläche genutzt, im ehemaligen Mühlengebäude befinden sich nun Büroräumlichkeiten. Auch sonst hat sich auf dem Areal an der Mühlegasse einiges getan. Im Laufe der Jahre entstanden neue Gebäude sowie in den Jahren 1933 und 1960 zwei Silos. Das Müllerhandwerk, das Dorf Fraubrunnen und die Familie Messer scheinen eine passende Kombination zu sein. Eine Kombination, welche nicht mehr aus dem Dorf wegzudenken ist.

Ein einmaliges Naturprodukt
Dass Alexander Messer in die Fussstapfen seines Vaters treten würde, so wie es all seine Vorfahren bei ihren Vätern gemacht hatten, war nicht von Anfang an klar. «Nach abgeschlossenem Wirtschaftsstudium nahm ich mir ein Jahr Bedenkzeit, ob ich den Familienbetrieb übernehmen möchte oder nicht. Ich konnte damals nicht direkt zusagen», erinnert sich Alexander Messer. Auch wenn die Bedenkzeit bei seinem Vater zu Beginn auf kein allzu grosses Verständnis stiess, setzte Alexander Messer schliesslich die Familientradition fort und stieg in den Familienbetrieb ein. «Als ich zusagte, tat ich dies dann mit voller Überzeugung», so der Geschäftsführer. Zu gross seien seine Verbundenheit und vor allem seine Faszination und Leidenschaft für das Naturprodukt Mehl gewesen. «Der ganze Kreislauf des Mehls begeistert mich. Korn wird von Bauernbetrieben gesät und geerntet, ehe sie es zu uns bringen. Schliesslich wird es gereinigt und vermahlen. Daraus entsteht das Mehl, woraus die Bäckereien wiederum köstliches Brot machen können. Eine solche Aneinanderkettung von Prozessen und was aus einem einfachen Getreidekorn schluss­endlich entstehen kann, empfinde ich als unglaublich faszinierend», erläutert er begeistert.
Während zu Zeiten der Klostermühle während Jahrhunderten der Prozess des Mahlens mit der einfachen Aufspaltung des Korns abgeschlossen war, lässt sich mit der heutigen Technik und den heutigen Maschinen das Getreidekorn in jedes einzelne Element zerlegen. «Insgesamt durchläuft das Korn bei uns 16 verschiedene Passagen mittels unterschiedlich geriffelten Walzen», erklärt Alexander Messer die Produktionsstätte. Bei jeder Passage wird Mehl gewonnen, dieses lässt sich schliesslich in Weissmehl, Halbweissmehl und Ruchmehl unterteilen. Die Mühle Fraubrunnen liefert das gewonnene Mehl an Bäckereien und weitere Kundinnen und Kunden. Im Mühle-Laden vor Ort oder via Onlineshop können auch Privatkunden/-innen das qualitativ hochwertige Mehl kaufen, ergänzt mit unterschiedlichen Backrezepten.

Weissmehl als «Filetstück»
Alexander Messer schätzt das noch immer notwendige Fingerspitzengefühl und bezeichnet das Handwerk des Müllers als Kunst. «Keine Getreideernte ist wie die andere und auch wenn heute Maschinen die Arbeit des Mahlens übernehmen, ist das Gewinnen von Mehl noch immer nicht mit einem einfachen Knopfdruck möglich», führt er aus.
Das beliebte Weissmehl vergleicht Alexander Messer mit einem Filetstück bei einem Tier. «Es ist uns jedoch ein Anliegen, nicht nur dieses zu verwenden. Aus nachhaltigen wie auch aus moralischen Gründen.» Bei Weissmehl werden lediglich 25 bis 28 Prozent des ursprünglichen Korns verwendet. «Nur aus dem Innersten des Korns entsteht Weissmehl», so der Experte weiter. Je mehr Anteile des Mehls vom äusseren Teil des Korns stammen, desto dunkler wird das Mehl. So entstehen schliesslich auch Halbweiss- und Ruchmehl. «Trennt man das Korn gar nicht, erhält man das bekannte Vollkornmehl», erklärt Alexander Messer. «Bei einem Tier sollte man als Konsument/in ja hoffentlich auch nicht einzig und allein das Filetstück verzehren. Dies hat mit Wertschätzung und Nachhaltigkeit zu tun. Ähnlich verhält es sich mit dem Weissmehl», so der passende Vergleich von Alexander Messer. Jedoch sei in der Schweiz generell ein Weissmehl-Trend auszumachen. «Oft sind Leute skeptisch, wenn die Züpfe etwas dunkler ausfällt.» Der Grund für die dunklere Farbe liegt ausschliesslich darin, dass das Mehl mehr Schalenteile des Getreidekorns und nicht nur Weissmehl vom inneren Kern beinhaltet. Gemeinsam mit der Stiftung Providebit hat die Mühle Fraubrunnen daher das Providebit-Mehl entwickelt. «Bei diesem können – anders als die 25 bis 28 Prozent beim Weissmehl – rund 80 Prozent des Getreidekorns verwendet werden. Dadurch wird ein Brot oder eine Züpfe in der Farbe etwas dunkler, geschmacklich und resultatmässig ändert sich jedoch nichts», erzählt Alexander Messer begeistert. Dieses Mehl sei ein wahres Allroundermehl, da es sich für sämtliche Teigarten – ob Züpfe-,
Brot-, Pizza- oder gar Gipfeliteig – eignet. Es gelte, die Gesellschaft dahingehend zu sensibilisieren. «Erklären wir die Idee und die Gründe, stossen wir oftmals auf Verständnis und die Leute empfinden die dunklere Farbe dann nicht mehr als störend.»
Dass somit eine weniger strikte Trennung der Einzelbestandteile des Getreidekorns notwendig ist, verleiht dem Providebit-Mehl eine nachhaltige Eigenschaft. Dies passt bestens in die Strategie, die das Unternehmen unter der Leitung von Alexander Messer verfolgt. Nachhaltigkeit wird dabei auch durch Regionalität und Naturverbundenheit gewährleistet. Die Regionalität zeigt sich durch die Tatsache, dass bei der Mühle Fraubrunnen nur Getreide von Bäuerinnen und Bauern aus einem Umkreis von rund 30 Kilometern verarbeitet wird. Die Naturverbundenheit wird nebst der gelebten Faszination für das Produkt Mehl durch eine Anekdote deutlich: Auf Siloturm II befindet sich seit einigen Jahren in 40 Metern Höhe ein Turmfalkennest mit einem Vogelpaar. Dieses kann per Webcam auf der Website der Mühle Fraubrunnen beob­achtet werden. Passend zu den Bewohnern des Siloturms bietet die Mühle Fraubrunnen seit einigen Jahren ein Falken-Mehl an. «Von einem befreundeten Vogelkenner habe ich erfahren, dass Falken alle Jahre wieder zum selben Nest zurückkommen», erzählt Alexander Messer. Diese Standorttreue passt bestens zur Mühle Fraubrunnen.

Text und Bilder: Joel Sollberger/zvg

www.muehle-fraubrunnen.ch


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