Maturaarbeit über «Menschen am Rande der Gesellschaft»

  24.01.2017 Aktuell, Burgdorf, Bildung / Schule, Gesellschaft

Die drei jungen Männer (Pascal Lötscher, Vijeyakomaran Vithusan und Fabian Welten) und ihre Kollegin Froes Tabatha haben alle eine Lehre absolviert und befinden sich im Endspurt für ihre Berufsmatur. Sie haben selber unter kundiger Leitung von Köchin Elisabeth Stucki den «Nöijahrs-Spaghettiplousch» gekocht beziehungsweise vorbereitet, die Tische in der Suppenküche Burgdorf gedeckt und geschmückt und warten nun auf ihre Gäste. Stucki lobt die vier Jugendlichen, die mit viel Einsatz und Geschick den Spaghettiplausch für so viele Menschen realisiert haben.

Quer durch die Bevölkerung
«Das sind keinesfalls nur Randständige aus dem hiesigen Umfeld», betont Peter von Känel, Präsident der vor sieben Jahren vom heutigen Geschäftsführer Martin Stäger gegründeten Suppenküche Burgdorf, «sondern auch Alleinstehende, die über Mittag etwas Gesellschaft und Gespräche suchen und heute hier sind. Auch Familien mit kleinen Kindern kommen bisweilen, denn unser Angebot ist schmackhaft und ausgewogen und kostet pro Person nur drei Franken für Salat, Hauptspeise und Dessert. Alle sitzen ungezwungen zusammen, plaudern miteinander und lernen sich kennen.»

Ausgangspunkt für die Errichtung der Suppenküche war laut von Känel «der Umstand, dass sich die Randständigen bei jedem Wetter und jeder Temperatur regelmässig im Bereich der ‹alten Butteri› trafen. Stäger regte an, diesen Mitmenschen während der kalten Jahreszeit vom November bis Ende März jeden Montag und Freitag für drei Franken eine warme Mahlzeit in angenehmer Umgebung zu offerieren. Die Mehrzahl unserer Besucher pflegt zwar einen anderen Lebensstil, wichtig ist jedoch, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen und keine Vorhaltungen zu machen oder ‹guten Ratschläge› zu erteilen. Die Allgemeinheit sollte sie als Menschen wahrnehmen und achten.»

Geschätztes Angebot
Als Pfarrer weiss er, dass sich Menschen nicht ändern, wenn man sie belehrt und auf ihre Fehler hinweist. Dass die Suppenküche richtig agiert, belegt der Umstand, dass an den zwei Tagen pro Woche zwischen 20 bis 30 Mahlzeiten serviert werden.

Die evangelisch-methodistische Kirche im Bahnhofquartier stellt gegen eine sehr bescheidene Gebühr einen Aufenthaltsraum plus Küche zur Verfügung, wohin sich vor allem die Randständigen in der kalten Zeit zurückziehen und aufwärmen können. «Sie wissen, dass in den Räumlichkeiten Alkohol, Drogen und Rauchen verboten ist. Sie halten sich daran.»

«Aus diesem Leitgedanken ist nach einigen Jahren Suppenküche der Verein Suppenküche mit Buchhaltung und viel Transparenz entstanden», fährt Pfarrer von Känel fort. Auf ein Gesuch hin ist der Verein Suppenküche seit zwei Jahren als soziale Institution von Steuerzahlungen befreit. «Wir garantieren grösstmögliche Transparenz und legen alle Zahlen und die Verwendung von Spenden absolut offen.»

Zum Wohl dieser Mitmenschen
Berufsmaturand Pascal Lötscher erläutert namens «unseres Quartetts – die gleichen vier Typen, die gleichen Interessen – wie wir zu diesem Thema für unsere Maturaarbeit gekommen sind. In unserer Ausbildung handelt sich viel um Wirtschaft und Sprachen. Für unsere Maturaarbeit wollten wir selber Hand anlegen und eine gute Tat für unsere Mitmenschen vollbringen. Unsere Schule ist in Bern, tagtäglich begegnen uns hier Menschen am Rand der Gesellschaft. Die Randständigen harren bei tiefsten Temperaturen und Schnee im Freien aus. Wir waren uns schnell einig, dass wir hinter die Fassaden blicken, ihre Geschichten und Schicksale kennenlernen wollten. Wie ihr Alltag aussieht, wie sie zu diesem Leben gekommen sind, ihnen zuhören. Wir sind verschiedene Punkte strukturiert angegangen, haben uns aufgeteilt und mussten während des Projektes wegen eines Todesfalles in der von uns ausgewählten Institution von Bern nach Burgdorf wechseln, wo wir grosse Unterstützung in der Suppenküche gefunden haben.»

Selbstversuch mit Überraschung
Bei einem von verschiedenen Projekten haben sich Vithusan und Welten bemerkenswerte Bärte wachsen lassen und ihr Outfit Richtung Randständige geändert. Dann haben sie sich in einem Selbstversuch auf die Strasse gesetzt und ihre Erfahrungen gemacht: «Auffallend war, dass ziemlich schnell andere Randständige gekommen sind und Hilfe angeboten haben. Ob wir Unterstützung brauchen, etwas zu essen usw. Die normalen Passanten haben wenig Interesse gezeigt. Wer etwas gegeben hat, sagte oft in kurzen Worten, er wissen wie sich eine solche Situation anfühle. Die anderen machen einen grossen Bogen und wollen wenig sehen und hören, am liebsten nichts. Das ist schade. Man sollte diesen Menschen mehr Aufmerksamkeit schenken, denn es sind unsere Mitmenschen und ein Teil unserer Bevölkerung.» Für das erbettelte Geld haben sie Lebensmittel gekauft und an «ihre Kollegen» verteilt.

Den vier jungen Leuten geht es vor allem darum, die Gesamtsituation dieser Menschen am Rand der Gesellschaft zu begreifen und aufzuzeigen, wo gezielt brauchbare Unterstützung und Hilfe ohne Herablassung geboten werden kann. Als Abschluss hat das Quartett mit viel Freude den «Nöijahrs-Spaghettiplousch» ausgerichtet und rund 20 Personen – die sich nicht alle fotografieren lassen wollten – ein gutes Mittagessen serviert.

Gerti Binz


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