Gelenkersatz – wann besteht Handlungsbedarf?

  07.01.2020 Aktuell, Foto, Bildung, Kultur, Burgdorf, Region

Am Donnerstag, 9. Januar 2020, findet um 19.00 Uhr im Kurslokal (Erdgeschoss) des Spitals Emmental in Burgdorf der erste Publikumsvortrag des neuen Jahres statt. Dr. med. Henk Eijer, Chefarzt Klinik für Orthopädische Chirurgie an den beiden Standorten Burgdorf und Langnau des Spitals Emmental, wird das Thema «Hüftarthrose: Wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Gelenk­ersatz?» behandeln. Im Anschluss an das Referat wird ein Apéro offeriert. Dabei bietet sich Gelegenheit, Dr. med. Henk Eijer noch bilateral Fragen zu stellen.  

«D’REGION»: In der Schweiz werden jährlich über 20 000 Hüfttotalprothesen implantiert. Das spezialisierte Hüftteam des Spitals Emmental setzt in Burgdorf und Langnau pro Jahr rund 250 künstliche Hüftgelenke ein. Wie kann sich der Laie einen solchen operativen Eingriff vorstellen?
Dr. Eijer: Der Eingriff erfolgt standardmässig durch einen minimalinvasiven, gewebeschonenden Zugang. Dabei werden die verschiedenen Teile der Prothese durch kleine Hautschnitte eingesetzt. Die unter der Haut liegenden Muskeln und Sehnen werden nicht durchtrennt, sondern beiseitegeschoben. Dies verringert die Schäden am Körper und wirkt sich positiv auf den Genesungsprozess aus. Die Patienten verspüren weniger Schmerzen, sind rascher wieder auf den Beinen und verbringen weniger Zeit im Spital. Dank diesen gewebeschonenden Eingriffen und den hochwertigen Prothesenmaterialien gehört die Implantation eines künstlichen Hüftgelenks heute zu den häufigsten und Erfolg bringendsten Operationen weltweit. Sie ermöglicht den Patienten in den meis­ten Fällen einen schmerzfreien Alltag und stellt die Geh- und Bewegungsfähigkeit wieder her.

«D’REGION»: Der Verschleiss des Hüftgelenks gehört zu den typischen Erkrankungen des fortgeschrittenen Alters und ist einer der häufigsten Gründe für den Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks. Welches können Symptome für eine Hüftarthrose sein?
Dr. Eijer: Gelenkschmerzen, die anfangs nur bei Belastung, später auch in Ruheposition auftreten, Anlaufschmerzen nach längerem Sitzen oder morgens nach dem Aufstehen, Schmerzen im ganzen Hüftbereich, Muskelverspannungen des Oberschenkels beim Beugen oder Strecken, Schwierigkeiten beim Treppensteigen.

«D’REGION»: Eine Arthrose verläuft meistens schleichend. So kann es Jahre dauern, bis sich Symptome bemerkbar machen. Welches ist das Hauptsymptom?
Dr. Eijer: Ganz klar der Schmerz. Zu Beginn tritt er meist als eine Art Anlaufschmerz auf, später auch unter Belastung. Um diesen Schmerz zu lindern, versuchen viele Betroffene, das Gelenk zu schonen. Dies wiederum verschlechtert den Zustand des Knorpels, denn Bewegung «schmiert» und nährt diesen. Zwar sind die meis­ten Betroffenen beim Auftreten von ersten Beschwerden zwischen 50- und 60-jährig, aber auch junge Menschen leiden unter Arthrose.

«D’REGION»: Wann ist denn der richtige Zeitpunkt gekommen, sich Gedanken über ein künstliches Hüft­gelenk zu machen?
Dr. Eijer: Wenn die degenerativen Veränderungen des Hüftgelenks zu weit fortgeschritten sind und Schmerzen sowie Bewegungseinschränkungen den Alltag massiv beeinträchtigen, sollte der Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks in Betracht gezogen werden. Es sind aber letztlich die Patienten selber, die entscheiden, wann der für sie richtige Zeitpunkt für einen Gelenkersatz gekommen ist. Das hängt jeweils auch damit zusammen, wie sehr die Patienten in ihrem Alltag eingeschränkt sind, wie mobil sie sein möchten und vor allem wie hoch der Leidensdruck ist. So gibt es Patienten, die wenig Schmerzen verspüren, obwohl bei ihnen auf dem Röntgenbild kein Gelenkknorpel mehr zu sehen ist. Andere wiederum leiden bereits bei einer noch wenig fortgeschrittenen Arthrose unter starken Schmerzen.

«D’REGION»: Wie sieht es mit der Auswahl an Prothesen und deren Qualität aus?
Dr. Eijer: Die Auswahl an Prothesen ist gross. Es gibt sie aus Keramik, Kunststoff und speziellen Metallen. Die gewebefreundlichste Prothese ist jene aus Titan. Diese gibt es in unterschiedlichen Grössen und Formen. Die Verankerung erfolgt wahlweise zementiert oder zementfrei. In der Schweiz werden heutzutage die meisten Prothesen – sowohl Schaft als auch Schale – ohne Zement implantiert. Der orthopädische Chirurg bezieht bei der Wahl der Prothese und der Operationsart die persönliche Situation des Patienten mit ein – also sein Alter, seine Vorerkrankungen und seine individuellen Bedürfnisse. Die heutigen Kunstgelenke sind so konstruiert, dass sie möglichst wenig Abrieb zwischen dem künstlichen Hüftkopf und der Pfanne erzeugen. Dadurch lockert sich die Prothese weniger rasch, und die Lebensdauer verlängert sich zunehmend.

Was ist Arthrose?
Beim gesunden Hüftgelenk reiben sich der kugelige Kopf des Oberschenkelknochens und die schalenförmige Hüftgelenkpfanne nicht direkt aufeinander. Dafür sorgt ein schützender, elastischer Gelenkknorpel, der die Knochen überzieht und wie eine Art Stossdämpfer wirkt. Mit zunehmendem Alter und/oder länger andauernden Fehlbelastungen nützt sich dieser Gelenkknorpel manchmal ab. Er wird dünner, reisst ein und raut auf. Dadurch erhöht sich der Druck auf die darunterliegenden Knochen – und es kommt zu einer Verdickung des Knochengewebes unter der Knorpelschicht sowie einer Vergrösserung der Gelenksfläche. Es bilden sich Osteophyten. Das sind Knochensporne, die den Bewegungsradius des Hüftgelenks verkleinern und es immer unbeweglicher machen. Zudem können sich kleine Knorpeltrümmer ablösen und die Gelenkschleimhaut reizen. Die Folge sind Gelenkentzündungen, Muskelverspannungen, Schwellungen, Schmerzen und eine zunehmende Funktions- und Bewegungseinschränkung. Irgendwann reiben sich dann Knochen auf Knochen.

Zur Person
Dr. med. Henk Eijer ist Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates und in dieser Funktion Chefarzt Klinik für Orthopädische Chirurgie am Spital Emmental mit den Standorten Burgdorf und Langnau, wo er seit 2009 tätig ist. Seine Spezialgebiete sind die Hüftchirurgie und die Traumatologie.

 

Hans Mathys


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