Schlaflose Nächte und doch ein Hauch von Optimismus

  29.04.2020 Aktuell, Foto, Wirtschaft, Burgdorf

Die Coronakrise wirkt sich praktisch auf sämtliche Wirtschaftszweige aus und stellt Unternehmen und Geschäftsbesitzer/innen aller Branchen vor existenzielle Herausforderungen. Die ausserordentliche Lage erschüttert auch den hart umkämpften Modebereich bis ins Mark. «Die Situation bereitet mir schlaflose Nächte», erklärt Koni Kunz, Inhaber des traditionsreichen Modefachgeschäfts «Vestita» an der Bahnhofstrasse in Burgdorf. «Anlässlich der Jahresrechnung 2019 wurde mir im Februar bescheinigt, dass unser Geschäft kerngesund ist. Aber innerhalb weniger Wochen hat sich alles verändert. Wie sich die Situation Ende Jahr präsentiert, lässt sich unmöglich einschätzen.»

Ein Gefühl der Ohnmacht
Kunz erlebte den Lockdown als Schock. Von einem Tag auf den anderen musste er die Türen seines Geschäftes schliessen – wie alle übrigen Ladenbesitzerinnen und -besitzer mit Ausnahme der Lebensmittelgeschäfte. «Ein Gefühl der Ohnmacht stellte sich ein, jegliche Planungssicherheit entfiel angesichts der nicht prognostizierbaren Dauer der ausserordentlichen Lage», so Kunz. «Gegen die Konsequenzen infolge der Pandemie lässt sich kaum mit unternehmerischen Strategien ankämpfen – anders als in früheren Krisen, etwa als die Schweizerische Nationalbank vor fünf Jahren überraschend den Euro-Mindestkurs von 1.20 Franken aufhob.»
Mit seiner Ehefrau Stephanie, den beiden erwachsenen Kindern Rebecca und Raphael sowie der aus Südkorea stammenden Schwiegertochter Stephanie Nina Yoon, einer erfolgreichen Modedesignerin, diskutierte Koni Kunz über Möglichkeiten, wie das «Vestita»-Team auch während des Lockdowns für seine Kundschaft da sein kann. Gemeinsam wurde beschlossen, einen Onlineshop ins Leben zu rufen, welcher der Philosophie des Unternehmens – Eckpunkte sind die persönliche und stilsichere Beratung – Rechnung trägt. Bei der arbeitsintensiven Umsetzung übernahm die junge Generation das Zepter. «Ich fungierte eher als Handlanger», lacht Kunz. Im neuen Onlineshop www.vestita.shop stellen die Mitarbeitenden ihr persönliches Lieblings-Outfit aus den neuen Frühlings- und Sommerkollektionen sowie Produkte aus dem Living-Accessoires-Sortiment vor – die persönliche Note bleibt nach wie vor bestehen. «Der Webshop erlaubt es, mit unseren Kundinnen und Kunden in Kontakt zu bleiben. Die bisherigen Rückmeldungen waren überwältigend, sind Balsam für die Seele und geben Anlass zur Hoffnung.»

Maskentragepflicht?
Auch die vom Bundesrat angekündigte schrittweise Lockerung des Lock­downs stimmt Kunz verhalten optimistisch. Ab dem 11. Mai 2020 sollen sämtliche Geschäfte wieder eröffnet werden. Bezüglich der einzuhaltenden Schutzmassnahmen steht «Vestita» permanent im Austausch mit dem Textilverband Schweiz. Genaue Instruktionen wurden bisher noch nicht bekannt gegeben. «Ziel muss sein, eine zweite Welle zu verhindern. Ich bin überzeugt, dass eine kompetente Beratung auch in Zeiten des Abstandhaltens möglich sein wird. Mit einer grosszügigen Verkaufsfläche von über 700 m2 auf zwei Etagen befindet sich ‹Vestita› in einer komfortablen Ausgangslage.» Koni und Raphael Kunz gehen davon aus, dass die Auflagen möglicherweise eine Maskentragepflicht beinhalten. Auch dafür hat sich «Vestita» bestens gewappnet: Modedesignerin Stephanie Nina Yoon fertigt in ihrem Atelier, mit Unterstützung ihrer Schwiegermutter und «Vestita»-Mitinhaberin Stephanie Kunz, individuelle Gesichtsmasken an, welche an Kundinnen und Kunden bei Bedarf abgegeben werden können.

«Die Krise wird uns noch lange beschäftigen»
Der grösste Teil der Sommer-Kollektion ist bei «Vestita» und sicher auch bei allen andern Modegeschäften bereits eingetroffen. Der Handel steht nun vor der Herausforderung, das Sortiment möglichst saisongerecht der Kundschaft anzubieten, da die Ware laufend an Wert verliert. «Infolge Lieferschwierigkeiten und Produktionsausfällen wird die Herbstmode voraussichtlich einen Monat später als üblich eintreffen. Die Sommerkollektion werden wir deshalb in diesem Jahr länger präsentieren», erklärt Koni Kunz. Zur Wiedereröffnung am 11. Mai 2020 will das Familienunternehmen trotz der schwierigen Lage ein Zeichen setzen. «Uns ist der Solidaritätsgedanke wichtig. Deshalb möchten wir einen Teil des Ertrags für einen gemeinnützigen Zweck spenden. Aber auch die Kundschaft soll profitieren. Wir hoffen, dass weitere Geschäfte ebenfalls ein Zeichen setzen.» Koni und Raphael Kunz sind sich einig: «Die Coronakrise wird uns noch lange beschäftigen. Wir haben Glück, dass die Schweiz politisch und wirtschaftlich gut gerüstet ist, um die schwierige Situation zu meistern. Während in den USA die Arbeitslosenquote auf den höchsten Stand seit den 1930er-Jahren klettert und Millionen von Menschen von einem Tag auf den anderen jegliche Perspektive verlieren, greifen die Massnahmen des Bundes für Arbeitgeber und Beschäftigte. Dies stimmt – trotz schlafloser Nächte – hoffnungsvoll.»

Private-Shopping bereits vor dem 11. Mai 2020 möglich?
«Vestita» versucht so rasch wie möglich «Private-Shopping» einzuführen. Auf Voranmeldung soll Kundinnen und Kunden nach Ausfüllen eines Kontaktformulars im Internet einzeln der Zutritt zum Ladengeschäft gewährt werden – unter Einhaltung der vom Bund vorgegebenen Hygiene- und Schutzmassnahmen. Das Modefachgeschäft steht diesbezüglich in engem Austausch mit Politik und Verband. Eine Bewilligung lag bei Redaktionsschluss allerdings noch nicht vor.

 

Markus Hofer


Image Title

1/10


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote