Ab Oktober am BZ Emme: BWL-Studium ohne Matur

  08.07.2021 Aktuell, Foto, Wirtschaft, Gesellschaft

Allen Anwesenden im Saalbau Kirchberg ist am Wirtschaftszmorge 2021 klar, dass der digitale Wandel seit Langem eingetreten ist und sich zunehmend zur treibenden Kraft für gravierende Veränderungen entwickelt hat. Daher ist es für zukunftsgerichtete Unternehmen unerlässlich, hier Schritt zu halten, das Personal und die Arbeitsabläufe rechtzeitig anzupassen und Weiterbildung zu fördern. Vier Redner referieren über die Digitalisierung und ihre Auswirkungen.

Nutzen oder Abhängigkeit
Adrian Friedli von BWK (Berufliche Weiterbildungskurse) Burgdorf zeigt den heutigen Stand der Digitalisierung im Bereich der Weiterbildung auf. Im Gegensatz zu früher geschieht heute vieles vernetzt, papierlos, schneller, effizienter, via Internet, mit Datenschutz, erhöht aber auch die Abhängigkeit. Er fragt die Anwesenden, wann sie morgens erstmals auf ihr Handy schauen: nach dem Aufwachen, beim Zähneputzen, beim Kaffeetrinken oder nach anderen Eckpunkten im Verlauf des Tages.
Er kommt auf die Digitalisierung in der Weiterbildung zu sprechen, auf die Herausforderungen für Teilnehmende und Bildungsanbieter sowie auf die Einsatzbereiche digitaler Technologien. Friedli erklärt die schweizerischen Bildungswege und die vielfältigen Bildungsangebote nach der obligatorischen Schulzeit, die auch «Spätberufenen» zahlreiche Möglichkeiten bieten. «Lernwillige können sich Grundkompetenzen aneignen und die Chancen für eine erfolgreiche Berufslaufbahn ausbauen.»

Studium ohne Matur
Christian Messerli, Leiter HFW (Höhere Fachschule für Wirtschaft) Bern, informiert über ein BWL-Studium ohne Matur, das ab Herbst 2021 in Burgdorf angeboten wird. «Auf dem Areal des BZ (Bildungszentrum) Emme an der Zähringerstrasse können künftig Frauen und Männer mit abgeschlossener kaufmännischer Lehre – und möglichst ein bis zwei Jahren Berufserfahrung – ein weiterbildendes Studium ohne Matur oder Berufsmatur absolvieren. Sie besuchen ab Oktober einmal pro Woche neben dem Arbeitsalltag den Unterricht und können umfangreiches Wissen in verschiedenen Bereichen (z. B. Marketing, Problemlösungen, sinnvolles Lernen und vieles mehr) erlangen, das ihnen am Arbeitsplatz und beim Aufbau ihrer Berufskarriere helfen wird.» Nach drei Jahren erhalten sie ein Diplom.
«Dank eines solchen Studiums kann die Arbeitsqualität gesichert, Abläufe und Kommunikation können verbessert sowie Fehler und Absenzen minimiert werden; Renommee und Loyalität steigen», führt Messerli aus. Der Gewinn für alle sei offensichtlich: «Dazu zählen die Entlastung der Vorgesetzten, eine bessere Zusammenarbeit, motivierte Mitarbeitende sowie automatisch die Kostenersparnis.»
Er erklärt den beim Studium anfallenden Präsenzunterricht und das E-Lear­ning mit den jeweiligen Vorteilen und hofft, dass möglichst viele motivierte Berufsleute von diesem «fortschrittlichen Studium im kaufmännischen Bereich» Gebrauch machen werden. Er bezeichnet dieses Studium als «Türöffner für ein weiterführendes Bachelor- oder Masterstudium». Als Kompetenzziele der HFW nennt er, dass die Betreffenden anschliessend lösungsorientiert agieren, selbstgesteuert handeln und mitarbeiten, IT-Strategie und IT-Security beherrschen, Unternehmergeist zeigen, vernetzt denken und ihr professionelles Handeln und Verhalten reflektieren. Sie bewegen sich adäquat in der agilen und digitalen Welt und unterstützen die Transformation.

Veränderte Arbeitsplätze
Thomas Kölliker, Leiter Weiterbildung und Vizedirektor der WKS (Wirtschafts- und Kaderschule) KV Bildung Bern, informiert über die weit fortgeschrittene Digitalisierung im kaufmännischen Bereich. Primär gelte es, den Unterschied zwischen Digitalisierung und digitalen Transformationen zu definieren. Ersterer Begriff bezeichnet die Nutzung von Informationstechnologien zur Optimierung beziehungsweise Automatisierung von Prozessen. Als digitale Transformation ist die ganzheitliche Erneuerung eines Unternehmens im digitalen Zeitalter zu verstehen, was einen ständigen Prozess bedeutet. Deren Auswirkungen werden sich bereits bis 2025 niederschlagen, da infolge der Verschiebung von Arbeitsstellungen zwischen Mensch und Maschine neue Arbeitsplätze (geschätzte 97 Millionen) entstehen und andere (geschätzte 85 Millionen) verdrängt werden.
Schon heute erfolgen zahlreiche Befehle an automatisierte Geräte mittels Sprachsteuerung wie z. B. die Aktivierung der Kaffeemaschine, des TV, der Raumbeleuchtung oder des PW-Navigationsgerätes. Trotz allen Fortschritts sollte man jedoch nicht vergessen, dass «der Mensch Veränderungen grundsätzlich nicht liebt und sich mit vielen Veränderungen schwertut». Das bedeutet, dass sich trotzdem rund 50 Prozent der Arbeitnehmenden umschulen und weiterbilden müssen, wenn sie im Beruf wettbewerbsfähig bleiben wollen. Das Gleiche gilt für die Arbeitgeber. «Die klassische, eher langweilige Büroarbeit im kaufmännischen Bereich wird künftig reduziert und durch digitale Abläufe ersetzt, wodurch Zeit für anderes bleibt. Soziale und emotionale Kompetenzen der Mitarbeitenden werden aufgewertet. Gut und bestens ausgebildete Fachkräfte sind künftig extrem gefragt.»

Ausnahmslos digital
Als letzter Redner informiert Roland Loosli über die Anforderungen der Digitalisierung in einem mittelgrossen Unternehmen im Emmental. Bis Ende Januar 2020 hat er das knapp 200 Jahre alte unabhängige und familiengeführte KMU Albiro AG für Arbeits-, Sicherheits- und Schutzbekleidung in Sumiswald als Verantwortlicher geführt, bis im Februar 2020 seine Kinder Corinne und Lukas Loosli (in der siebten Generation) die Geschäftsleitung übernommen haben.
Roland Loosli zeigt auf, wie die digitale Grössenvermessung für Berufsleute aus ganz unterschiedlichen Branchen funktioniert und wie diese bei Bedarf via Handy neue Arbeitshosen, Ärztekittel usw. ordern können. «Ein Beispiel: Handwerker auf dem Bau kommen aus ganz verschiedenen Nationen, sprechen verschiedene Sprachen, aber alle haben ein Handy und können es bedienen. Wenn die Arbeitshose einen nicht reparierbaren Riss hat, kann der Betreffende mit der passenden App eine neue Hose zu sich nach Hause bestellen. Die Kosten werden von dem von seinem Arbeitgeber für seine Berufskleidung eingerichteten Konto abgebucht. Alles geschieht papierlos und digital. Am nächsten Tag liegt das Päckli mit der Arbeitshose in seinem Briefkasten.»
Diese Vorgehensweise gilt für die zahlreichen Berufsgattungen, die ihre Kleidung bei Albiro bestellen. Loosli erläutert auch die Abläufe in den verschiedenen Produktionsstätten, die Transportwege, Lagerung, den Versand und weitere interne Prozesse. Erstmals können die Anwesenden bei diesem Wirtschaftszmorge ihren Kaffee samt «gluschtigen» Beilagen bei ausführlichen Gesprächen geniessen.

Gerti Binz


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