Von der Halbwüste aufs Jungfraujoch
26.06.2025 Burgdorf, Gesellschaft, OberburgMeret Räber und ihr Mann Bernardo Rojas verbringen jedes Jahr drei Monate auf dem Jungfraujoch, wo sie als Kundenlenkerin resp. -lenker für ein geordnetes Fliessen des Touristenstroms sorgen. Aus aller Welt kommen die Menschen aufs Joch, nicht nur zum Vergnügen, sondern eben auch, um Geld zu verdienen.
Üblicherweise leben Meret Räber und Bernardo Rojas in Chile. Dort bestreiten sie ihren Lebensunterhalt mit Reittouren, die sie vor allem für Gäste aus Deutschland und der Schweiz anbieten. Dies ist aber nur im Sommer – von November bis April – möglich, da die Temperaturen in den Anden in der übrigen Zeit so tief sinken, dass das Übernachten unter freiem Himmel nicht wirklich bekömmlich ist. So bietet sich dem Ehepaar in den chilenischen Wintermonaten die Möglichkeit, in der Schweiz das Jahreseinkommen aufzubessern. Das so verdiente Geld erlaubt dann wieder Investitionen in die Infrastruktur der Hacienda. Die neueste Errungenschaft sind Solarpanels, welche Meret Räber und Bernardo Rojas unabhängig machen vom wackeligen öffentlichen Stromnetz und ihnen Energie für alle notwendigen und wünschbaren Bedürfnisse liefern. Dieser chilenische Luxus wird dann Anfang Juni mit dem Umzug auf den Eigergletscher jäh unterbrochen. Dort ist die Stromversorgung zwar kein Problem, aber eine Nachttischlampe, die man an die Stromquelle anschliessen kann, muss noch rasch bei einer Räumung organisiert werden. Sonst ist das Zimmer, das die beiden für drei Monate benutzen dürfen, perfekt. Es ist während dieser Zeit Basis für alle Tätigkeiten, die in einer Höhe von 2300 Metern über Meer, abgeschnitten von allen persönlichen sozialen Aktivitäten, möglich sind. Die Aussicht geht Richtung Jungfrau, Silberhorn und Gletscher – majestätisch, beeindruckend und unverrückbar.
Umso abwechslungsreicher sind dann die während der Arbeitszeit anstehenden Pflichten. Bei mehreren Tausend Gästen pro Tag ereignet sich regelmässig etwas Ausserordentliches, das starke Nerven und Improvisationsvermögen verlangt. «Die normalen Arbeiten beinhalten die umfassende Betreuung der Besuchenden», erläutert Meret Räber. «Wir helfen den Gästen beim Scannen ihrer Tickets, kümmern uns um die Gruppenreservationen und stellen zusammen mit unseren Kolleginnen und Kollegen sicher, dass die Züge pünktlich losfahren können. Ausserdem unterstützen wir Gäste, wenn sie sich wegen der Höhenlage unwohl fühlen. Zum Glück passiert das nur selten.»
Besondere Herausforderungen können sich bei schlechtem Wetter oder sehr hohem Verkehrsaufkommen ergeben. «Die Höhe, dichter Nebel, Regen oder Gewitter führen manchmal dazu, dass seitens der Besuchenden viele Fragen gestellt werden. In diesen Momenten gilt es, Ruhe zu bewahren und unsere Funktion als Dienstleistende auszuüben», ergänzt Bernardo Rojas. Da ist dann die Rückkehr ins elterliche Zuhause in Burgdorf, wo die freien Tage verbracht werden, gerade richtig und wichtig. «Von Burgdorf aus geniessen wir bei schönem Wetter erholsame Wanderungen oder besuchen unsere Freunde und Bekannten in der ganzen Schweiz. Dafür sind die tollen Zugs- und Busverbindungen ideal. Auch die gute Schweizer Küche, insbesondere diejenige von Merets Mutter, ist ein wichtiger Faktor, um die Work-Life-Balance wieder ins Lot zu bringen», sind sich beide einig.
So vergehen die drei Monate in der Schweiz jeweils schnell und schon Anfang September ist die Heimkehr in die chilenische Freiheit angesagt. Meret Räber fügt abschliessend an: «Wir freuen uns jedes Mal, unsere Tiere wiederzusehen und nachzuschauen, was unser Garten Schönes hervorgebracht hat. Wir geniessen es auch, unseren Tagesablauf in Chile selber bestimmen zu können. Wir verbringen die meiste Zeit unter freiem, wolkenlosem Himmel und bewegen uns viel. Zudem erleben wir unsere Tätigkeit in Chile als wirklich sinnvoll. Mit unserer Arbeit sind wir nicht nur für das Dorf Seron, sondern auch für das ganze Rio Hurtado-Tal wichtig. Unsere Gäste versuchen wir zu verwöhnen und bieten ihnen einen Gegensatz zum hektischen Alltag. Wir leben nicht in einem wirtschaftlichen Hotspot, sondern eher dort, wo Puma und Condor sich Gute Nacht sagen. Aber gerade das macht die Qualität unserer Hacienda aus.»
Text: Thomas Räber
Bilder: zvg
Wer sich für die Angebote von Meret Räber und Bernardo Rojas interessiert, findet weitere Informationen auf www.locurachile.com.