Von Kandersteg nach Bern und New York

  11.09.2017 Aktuell, Politik, Fussball, Fraubrunnen, Sport, Bildung, Region, Burgdorf, Jugend, Gesellschaft, Bildung / Schule

«Freude herrscht! Hüt isch eigentlich dr ‹Happy Day› – wie letscht Samschtig am Fernseh – für üsi Sektion vom SAC (Schweizer Alpenclub) mit em Herr Ogi.» Mit diesen Worten leitete Kurt Oppliger, Verantwortlicher Kultur und Öffentlichkeitsarbeit, den Sektionsanlass am 5. September 2017 im Restaurant Schützenhaus in Burgdorf ein. Er habe sich als ebenfalls SAC-Mitglied von Kandersteg darauf gefreut, in Burgdorf als Referent auftreten zu dürfen, liess Altbundesrat Adolf Ogi eingangs verlauten. Dank des SAC und Bergsteigens habe er schon als Knabe und Jüngling viel fürs Leben mitbekommen. Bereits als 14-Jähriger durfte er mit seinem Vater, der unter anderem als Bergführer tätig gewesen war, das Matterhorn besteigen. Solche Naturerlebnisse relativierten die Bedeutung des Bundesrates und insbesondere diejenige eines Altbundesrates… 70 Mal habe sein Vater mit Gästen die Blümlisalp besteigen müssen, um ihm, Dölfi, ein Jahr Ecole supérieure de commerce in La Neuveville finanzieren zu können. Und er habe drei Jahre dort verbracht.

«Nid nume gradus Ski fahre»
Während gut einer Stunde wartete der 75-jährige Adolf Ogi mit Geschichten aus seinem Leben auf – ohne Power-Point-Präsentation, aber mit grossem Enthusiasmus und einer unbändigen Leidenschaft. Den
«schmalen Schulsack», so seine Worte, hat Ogi im Verlauf des Lebens prall gefüllt. Nach dem Besuch der Primarschule Kandersteg und den drei Jahren Ecole supérieure de commerce weilte er insgesamt zwei Jahre in England. Zwei weitere Jahre war er im Tourismus Meiringen-Haslital tätig («wo me muess kämpfe, dass d Tourischte chöme»). 17 Jahre im Schweizerischen Skiverband SSV folgten. Im Anschluss war er sieben Jahre als Generaldirektor der Intersport Schweiz Holding AG tätig – einem Unternehmen, das damals etwa 150 Milliionen Franken Umsatz generierte und rund 250 Personen beschäftigte. Das sei wahrscheinlich sein sogenannter Leistungsausweis gewesen, liess er wissen: «Dr Ogi cha nid nume gradus Ski fahre, är cha o ne Unternähmig füehre.»

«Jede Akkusativfehler isch es Thema gsi»
Während 21 Jahren war Adolf Ogi in der Politik tätig. 1979 wurde er in den Nationalrat gewählt. «Dr Ogi het me uf d Lischte Ämmital ta – als Berner Oberländer, Nr. 21 vo 27.» Es sei ganz klar gewesen, dass er Stimmen bringen, aber nicht gewählt werden sollte. Zur Überraschung vieler habe er es geschafft, aber sei unter grosser Beobachtung gestanden: «Jede Akkusativfehler vom Ogi isch es Thema gsi.» Später habe er den Journalisten ab und zu einen solchen Fehler untergejubelt, um sie von anderem abzulenken… Nach vier Jahren sei er Parteipräsident der SVP Schweiz geworden – «schwieriger als e Handvoll Flöh z hüete». Im Jahr 1987 wurde Adolf Ogi im zweiten Wahlgang in den Bundesrat gewählt.

«I bi e Macher»
«I ha das Land wölle gestalte, nid verwalte», liess Adolf Ogi wissen. Der Bau der NEAT ist ein grosser Erfolg. Er habe von Anfang an den Lötschberg miteinbezogen. Im Oktober 1992 habe das Volk mit 63,6 Prozent dem Bau zugestimmt. «I möcht öich danke für d Unterstützig», sprach er die Anwesenden im Saal an. Aber die Realisation habe grosse Anstrengungen nicht nur von ihm abverlangt. Viermal sei er an Nierensteinen erkrankt. Abends habe er manchmal nicht einschlafen können, weil der Bohrkopf, der heute im Verkehrshaus Luzern ausgestellt ist, wegen des harten Massivs plötzlich stillgestanden sei… Acht Jahre war Ogi im EVED und fünf Jahre im Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (dem früheren EMD) tätig. Im Anschluss war er sieben Jahre UNO-Sonderbeauftragter für Sport im Dienste von Entwicklung und Frieden.

Loblied auf den Sport
«Wenn wir eine bessere und friedlichere Welt wollen, müssen wir den Fokus auf die Jugend richten.» Sport ist die beste Lebensschule. Dieser Ansicht ist auch Adolf Ogi. Als er in Kabul die traumatisierten Kinder gesehen habe, da habe er mit ihnen Fussball gespielt.
Im Gürtel von Nordafrika seien alle fussballverrückt. «Wenn sich die UNO, die UEFA und die FIFA zusammenfinden würden und den Fussball gemeinsam förderten, dann könnten auch dort garantiert Verbesserungen erzielt werden.» Aber aktuell werde der Sport mit Doping, mit Gewalt und horrenden Transfersummen (Nejmar) gleichgesetzt. Im Sport lerne sich das Kind zu integrieren und den Gegner zu respektieren. «Die Junge vo hüt si d Leader vo morn», so seine Worte.

Prägendes
Ogi ist ein Menschenfreund. Vier «Sachen» seien in seinem Leben immer wichtig gewesen, bei allem, was er getan habe: der Mensch, der Auftrag, die Führung und die Kommunikation. Er habe ein paar Grundsätze gehabt. Dazu gehöre auch die Authentizität. Das Volk merke sofort, ob ein Bundesrat hinter dem stehe, was er nach aussen vertrete. Der Vater, die Mutter, der Onkel, der Oberlehrer Rudolf Rösti, der Pfarrer Ueli Unger: Sie alle prägten Adolf Ogi. «I ha nie alles richtig gmacht. I ha o viel Fehler gmacht.» Aber er habe etwas bewegen wollen. Und das ist Adolf Ogi unbestritten gelungen. – Kurt Oppliger versteigerte im Anschluss an das Referat einen familieneigenen Bergkristall. Der Erlös kommt der Stiftung «Freude herrscht» zugute, die Ogi vor sechs Jahren im Andenken an seinen verstorbenen Sohn Mathias Adolf Ogi ins Leben gerufen hat. «Freude herrscht» leistet finanzielle Unterstützung bei Projekten, welche Kinder aktiv zum Sport bewegen, Erlebnisse in der Natur ermöglichen sowie Selbstbewusstsein und Sozialkompetenz fördern.
Barbara Schwarzwald


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